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Medizinischer Fortschritt wirft rechtliche Fragen auf  
  Der medizinische Fortschritt wirft neue rechtliche Fragen auf - so z.B. zum Stichwort Designerbaby, Stammzellen-Forschung oder Hirntod. Das Thema "Recht und Medizin" wird von Experten derzeit in Wien diskutiert.  
Im Rahmen der 46. "Assistententagung Öffentliches Recht" plädiert ein deutscher Jurist dabei für die Einführung einer neuen Kategorie: dem "Erneuerungseingriff".
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Zur Tagung
Seit 21. Februar wird am Juridicum in Wien die "46. Assistententagung Öffentliches Recht" abgehalten. Die wissenschaftlichen Mitarbeiter und wissenschaftlichen Assistenten aus Österreich und Deutschland widmen sich Fragen rund um "Medizin und Recht". Heute Nachmittag findet z.B. eine Podiumsdiskussion mit dem Titel "Auf dem Weg zum Designerbaby? Möglichkeiten und Grenzen der Reproduktionsmedizin" statt (mit: Markus Hengstschläger, Ulrich Körtner, Gerhard Luf, Petra Fosen-Schlichtinger). Morgen sind Vorträge zu Transsexualität, Datenschutz und Arzneimittel- und Gentechnikrecht geplant.
->   46. Assistententagung Öffentliches Recht
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"Krank" oder "Erneuerungsbedürftig"?
Ein künstliches Kniegelenk, eine neue Hüfte oder eine Augenoperation am Grauen Star - Behandlungen, die dem Juristen Gregor Kirchhof von der Universität Bonn nicht ins übliche Konzept von "gesund oder krank" passen.

Der wissenschaftliche Jus-Assistent vom Institut für Öffentliches Recht (Abteilung Staatsrecht) der Rheinischen Friedrich-Wilhelms-Universität Bonn schlägt deshalb vor, statt wie bisher von "Heilbehandlungen", "Heilversuchen" oder "Heilexperimenten" zu sprechen, eine neue, zusätzliche Kategorie einzuführen: den "Erneuerungseingriff".

Im ORF-Radio erklärt Gregor Kirchhof seine Vorstellung des Begriffs: "Wenn der übliche Verschleiß Gebrechen mit sich bringt - z.B. eine neue Hüfte notwendig ist - dann greift der Begriff Erneuerungseingriff. Solche Eingriffe sind genauso medizinisch indiziert (Anm.: notwendig).

Ich möchte nur klar machen, dass es eine andere Indikation ist und dass der Patient in einer anderen Art und Weise aufgeklärt werden muss: Man muss ihm sagen, dass er sich mit der Behandlung zwar gegen den üblichen Verschleiß stellt, ihn hinauszögert, ihn aber nicht aufhalten kann."
Patientenleid nicht schmälern
Ist eine 80-jährige Patientin, die aufgrund eines Hüftleidens nicht mehr gehen kann und unter starken Schmerzen leidet, nun krank oder ihre Hüfte "erneuerungsbedürftig"?

Darauf meint der Jurist gegenüber science.ORF.at: Mit dem Begriff "Erneuerungseingriff" wolle er die Betroffenheit der Patienten keinesfalls schmälern - sein Vorschlag sei als juristische Kategorie zu betrachten.
Keine Ausrede für Krankenkassen
Von der Diskussion über eine neue Kategorie erhofft sich der Jurist der Universität Bonn unter anderem, dass der Arzt mehr Klarheit hat. Langfristig bereite die Diskussion auf die zu erwartenden finanziellen Belastungen vor:

"Weil der medizinische Fortschritt voranschreitet, werden die Erneuerungseingriffe immer mehr werden. Und sie werden alle betreffen. D.h.: es wird sehr, sehr teuer. Wir müssen uns jetzt schon Gedanken darüber machen, denn die Ressourcen müssen frei gemacht werden, damit im Alter jeder die indizierten Behandlungen bekommt."

Solche Eingriffe sollten weiterhin von den Krankenkassen bezahlt werden, so der deutsche Jurist, da sie ja medizinisch notwendig seien (im Gegensatz z.B. zu den meisten Schönheitsoperationen).

Barbara Daser, Ö1 Wissenschaft. 23.2.06
->   Universität Bonn
 
 
 
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01.01.2010