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Retinsäure bestimmt Schicksal der Keimzellen  
  Bei der Entwicklung von Keimzellen zu Eizellen oder Samenzellen hat vermutlich die Retinsäure ein Wörtchen mitzureden, wie ein internationales Team von Molekularbiologen herausgefunden hat. Die mit dem Vitamin-A verwandte Substanz bestimmt nämlich bei Mäusen den Zeitpunkt der Reifeteilung.  
Diese Erkenntnis könnte laut Josephine Bowles vom Institute for Molecular Bioscience der University of Queensland und ihren Kollegen dazu beitragen, die Zeugungsfähigkeit bei Tieren zu kontrollieren oder funktionale Ei- und Samenzellen aus Urkeimzellen im Labor zu produzieren.
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Der Artikel "Retinoid Signaling Determines Germ Cell Fate in Mice" ist als Online-Publikation der Fachzeitschrift "Science" (30. März 2006, DOI: 10.1126/science.1125691) erschienen.
->   Artikel
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"Anstoß" zur Reifeteilung
Urkeimzellen können sich prä- oder postnatal zu funktionsfähigen Keimzellen entwickeln. Sie entwickeln sich je nach Geschlecht entweder in Ureizellen (Oogonien) oder in Ursamenzellen (Spermatogonien). Der Zeitpunkt der Entwicklung ist abhängig von "molekularen Anstößen", die bisher laut Bowles und Kollegen noch nicht bestimmt werden konnten.

Bei zweigeschlechtlichen Organismen wie den Mäusen reduzieren sich die Urkeimzellen über die Meiose zu den Gameten: Der diploide (zweifache) Chromosomensatz wird zum haploiden (einfachen). So bilden sich die bekannten Eizellen oder Samenzellen.
->   Meiose bei Wikipedia
Die Rolle der Retinsäure
 
Bild: Annemiek Beverdam/Science

Urkeimzellen (grün), die von somatischen Zellen (rot) umgeben sind, in einer weiblichen Mäuse-Gonade 12,5 Tage nach der Empfängnis

Die Forscher um Josephine Bowles erkannten in Tests an Labormäusen, dass vermutlich Retinsäure, auch Vitamin-A-Säure genannt, den Zeitpunkt der Meiose bestimmt.

Grundsätzlich entscheidet das Timing darüber, ob die Urkeimzellen einen "weiblichen" oder "männlichen" Entwicklungsweg einschlagen. Wenn die Meiose während der fötalen Entwicklung der Maus stattfindet, entstehen Ureizellen. Findet sie verspätet nach ihrer Geburt statt, werden aus Keimzellen die Ursamenzellen.

Die Retinsäure stiftet dabei die Urkeimzellen in den Eierstöcken an, die Meiose zu starten. Aus einer Zelle der Keimbahn entwickelt sich eine befruchtungsfähige Eizelle (Oogenese).

Bei den männlichen Mäuseembryos allerdings wird die Wirkungsweise der Retinsäure durch ein spezielles Enzym verhindert: Die Meiose findet erst nach der Geburt statt. Es kommt dann zur Spermatogenese und zur Bildung der Spermien.
Meiose ohne Retinsäure vorverlegt
 
Bild: D. Knight, J. Bowles/SCience

Männliche Geschlechtsorgane des Mäuseembryos nach 13,5 Tagen der Empfängnis: "Wild-Typ" mit dem die Retinsäure abbauenden Enzym (links) und Knock-out-Typ (rechts)

Die Forscher schalteten im Experiment das Retinsäure-degardierende Enzym in den Hoden der Mäuse-Embryos aus: Die Urkeimzellen begannen mit der Meiose früher - sie entwickelten sich also bereits im Embryo zu Ursamenzellen.

Daraus schließen die Forscher, dass die präzise Regulierung der Retinsäure-Vorkommen während der fötalen Gonadenentwicklung der Mechanismus ist, der den Zeitpunkt der geschlechtlichen Entwicklung der Urkeimzellen bestimmt.

[science.ORF.at, 30.3.06]
->   Retinol bei Wikipedia
->   Institute for Molecular Bioscience, University of Queensland
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->   Künstliche Spermien und Eizellen in zehn Jahren (20.6.05)
->   Protein gegen zu frühen Chromosomenzerfall entdeckt (29.3.05)
 
 
 
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01.01.2010