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Sudetendeutscher Hitler-Widerstand gewürdigt  
  Der tschechische Ministerpräsident Jiri Paroubek hat 61 Jahre nach dem Zweiten Weltkrieg erstmals offiziell ehemalige Widerstandskämpfer der damaligen deutschen Bevölkerung in der Tschechoslowakei empfangen.  
"Es ist Zeit, diese Menschen moralisch zu rehabilitieren", sagte der Sozialdemokrat am Dienstag in Prag.
"Großer Mut"
Der Vorsitzende der Sudetendeutschen Landsmannschaft in Deutschland, der CSU-Europaabgeordnete Bernd Posselt, bescheinigte dem Regierungschef "großen Mut".

Dass Paroubek "mitten im Wahlkampf ein Zeichen der Versöhnung setzt" werde "auf verschiedenen Seiten scharfe Kritiker finden", meinte Posselt am Dienstag.
Verlassen oder vertrieben
Einer der Ehrengäste des Regierungschefs, Klaus Fiedler aus Pirna, nannte den Empfang "eine Sternstunde". Viele der meist sudetendeutschen Widerstandskämpfer gegen die nationalsozialistische Schreckensherrschaft hatten die Tschechoslowakei nach Kriegsende wegen der allgemein deutschenfeindlichen Atmosphäre verlassen oder waren vertrieben worden.
Zeithistoriker sollen Antifaschismus erkunden
Paroubek kündigte in Anwesenheit deutscher Diplomaten eine wissenschaftliche Dokumentation von Einzelschicksalen deutschstämmiger Antifaschisten an. Für ein entsprechendes, bis 30. September 2008 laufendes Projekt habe das Prager Institut für Zeitgeschichte den Zuschlag erhalten, sagte der Ministerpräsident: "Ich betrachte dies auch als zumindest symbolische Begleichung unserer Schuld bei diesen Menschen."

Der frühere Widerstandskämpfer Lorenz Knorr aus Frankfurt am Main, der im damaligen Reichs-"Protektorat Böhmen und Mähren" Sabotageakte gegen den Bahnverkehr der deutschen Besatzer gesetzt hatte, dankte Paroubek für die humanitäre Geste.
Ein später Dank
"Dass wir in all den Jahren nie Danke gesagt haben, sehe ich persönlich als große Schuld der tschechischen demokratischen Kräfte gegenüber den Deutschen, die der Tschechoslowakei im Zweiten Weltkrieg bis zum letzten Moment treu waren", sagte der tschechische Ministerpräsident der Nachrichtenagentur dpa.

Bereits im August 2005 hatte sich die sozialliberale Prager Regierung in einem international viel beachteten Schritt erstmals bei der deutschen Bevölkerungsgruppe für die bisher ausgebliebene Würdigung entschuldigt.

Für die Dokumentation von Schicksalen, ähnlich dem Shoah-Projekt von US-Regisseur Steven Spielberg, stellt Tschechien eine Million Euro zur Verfügung.

[science.ORF.at/APA/dpa, 24.5.06]
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01.01.2010