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Forschung und Fußball im Ranglisten-Vergleich  
  Fußball und wissenschaftliche Exzellenz sind zurzeit in aller Munde. Grund genug, einmal zu fragen: Sind die österreichischen Forscher besser als unsere Fußballer? Und: Ist etwa die Universität Wien erfolgreicher als die Wiener Austria? Ein Ranglisten-Vergleich.  
Fußball: Platz 79 - hinter Estland und Katar
Bild: heureka
Bei der Fußballweltmeisterschaft in Deutschland sind wir nur Zuschauer. Denn im internationalen Vergleich ist unsere Nationalmannschaft alles andere als konkurrenzfähig, was auch die aktuelle FIFA-Weltrangliste bestätigt.

Das ÖFB-Team rangiert gerade einmal auf Platz 79, unmittelbar hinter Estland und Katar. Immerhin: Bei der nächsten Europameisterschaft in zwei Jahren dürfen wir erstmals dabei sein - weil Österreich (zusammen mit der Schweiz) Gastgeber sein wird.

Um den österreichischen Fußball ist es zurzeit also nicht gerade rosig bestellt. Wie aber steht eigentlich die österreichische Wissenschaft im internationalen Vergleich da? Gute Frage, aber lässt sich das ganz ohne Länderspiele überhaupt seriös beurteilen?

Ja, behauptet zumindest die Firma Thomson, ein international operierender Informationsmulti, der mit dem "Web of Science" (vormals: Science Citation Index) unter anderem die größte Datenbank wissenschaftlicher Publikationen betreibt:
->   Web of Science
Wissenschaftliche Zitierungen: Rang 20
Mit diesen Daten lassen sich etliche Zahlenspielereien anstellen - zum Beispiel zum wissenschaftlichen Output eines Landes. Im April dieses Jahres hat man bei Thomson die Publikationen österreichischer Forscher der letzten zehn Jahre analysiert.

Das Ergebnis ist, um es vorwegzunehmen, erfreulicher als das der FIFA-Berechnungen: Österreichs Wissenschaft liegt unter 145 Ländern bei der Zahl der Publikationen (fast 70.0000 mit österreichischer Beteiligung) auf Platz 25. Bei den Zitierungen sieht es noch besser aus. Da belegen wir immerhin den 20. Rang, weil diese Artikel knapp 800.000 Mal in anderen Publikationen erwähnt wurden.
Austria Wien vs. Universität Wien
Diese Zahlen sagen natürlich wenig darüber aus, wie sich die Leistungen der heimischen Forschungen innerhalb Österreichs verteilen. Im Fußball entspricht das - um ein weiteres Mal den Vergleich zu wagen - in etwa der Clubebene, auf der man zuletzt ebenfalls einige Rückschläge einstecken musste.

In der aktuellen Vereinsrangliste, die von IFFHS, der International Federation of Football History and Statistics, erstellt wird, ist der beste österreichische Club gerade aus den ersten Hundert gepurzelt: Die Austria Wien liegt auf Platz 105, der SK Rapid auf Platz 163 und der SV Pasching auf Platz 315.

Mindestens ebenso umstritten wie dieses Ranking sind Ranglisten der Universitäten, denn abermals stellt sich die Frage, ob und wie man die Qualität von Forschung und Lehre überhaupt messen kann - und wie man was gewichtet. Für die akademische Welt gibt es gleich mehrere Äquivalente zur Club-Liste, eine davon stammt vom Institute for Higher Education der Universität Shanghai.

Da schaffte es die Universität Wien als beste Hochschule Österreichs zuletzt auf Platz 86. Auf den ersten Rängen lagen ausschließlich Unis aus der Ivy-League der USA sowie der "englischen Premier League" - die Universitäten Oxford und Cambridge.
->   Rangliste der besten 500 Universitäten veröffentlicht
Sowohl Pop als auch Top
Bleibt noch eine andere Exzellenzebene, die individuelle nämlich: Wer sind eigentlich die besten Wissenschafter des Landes? Auch hierzu kann man unter anderem das "Web of Science" befragen und erhält unter anderem die Auskunft, dass der Wiener Experimentalphysiker Anton Zeilinger Co-Autor jenes wissenschaftlichen Artikels ist, der in den letzten zehn Jahren öfter zitiert wurde als jedes andere Paper aus Österreich:

Der Aufsatz "Experimental Quantum Teleportation", erschienen im Dezember 1997 in der Wissenschaftszeitschrift "Nature", brachte es bis dato auf 869 Zitierungen.
Uni Innsbruck: Klein, aber fein
Grafik: heureka
Auch eine andere Rangliste führt Anton Zeilinger an: Er ist jener österreichische Wissenschaftler, der seit 2000 an den meisten Publikationen in "Nature" und "Science" beteiligt war, die zu den Fachjournalen mit dem höchsten Impact-Factor zählen.

Auf Zeilinger (mit neun Artikeln) folgen übrigens weitere Kollegen von der Physik: Rainer Blatt (Universität Innsbruck) und Ferenc Krausz (bis 2002 TU Wien) mit je sieben "Nature"- und/oder "Science"-Papers. Insgesamt waren Österreicher oder in Österreich tätige Wissenschaftler in den vergangenen sechs Jahren an insgesamt 153 "Nature"- und "Science"-Aufsätzen beteiligt. Zum Vergleich: allein die Mitarbeiter der Harvard University brachten es auf 767.

Erfreulich daran ist die Entwicklung: Waren es im Jahr 2000 bloß 16, so verdoppelte sich diese Anzahl im Jahr 2005 auf 33. Interessant ist auch die Verteilung nach Forschungseinrichtungen (Bild rechts): Die relativ kleine Universität Innsbruck folgt mit vergleichsweise geringem Abstand auf die relativ große Universität Wien.
->   Impact-Faktor - Wikipedia
Edelschmiede IMP
Nach den Universitäten Wien und Innsbruck folgt in der "Nature"/"Science"-Hitliste die Österreichische Akademie der Wissenschaften und dann bereits das Forschungsinstitut für Molekulare Pathologie (IMP) am Vienna Bio Center.

Noch auffälliger werden die Forschungsleistungen des bloß 200 Mitarbeiter zählenden Instituts, wenn man zu Publikationen in "Nature" und "Science" auch noch die molekularbiologische Fachzeitschrift "Cell" dazu nimmt, die es in der Summe der letzten zehn Jahren auf die meisten Zitierungen pro Artikel und damit zur Zeitschrift mit dem höchsten Impact-Factor brachte.

Auf dieser Liste würde das IMP mit 38 Aufsätzen den zweiten Rang unmittelbar nach der Universität Wien (mit 41) belegen. Und unter den ersten zehn Forschern wären nunmehr vier (Ex-)Mitarbeiter des IMP, einer davon - der Entwicklungsbiologe Erwin Wagner - immerhin ein "echter" Österreicher.

Die beiden anderen sind der aus Deutschland stammende Thomas Jenuwein, der neue Direktor des IMP, der australische Neurobiologe Barry Dickson und sein Vorgänger, Kim Nasmyth.
Transfers in der Topliga
An den Karrieren erfolgreicher Wissenschaftler zeigt sich im Übrigen auch, wie international die Topforschung organisiert ist: So stammen etwa drei der mit dem Wittgenstein-Preis ausgezeichneten Forscher aus dem Ausland, und drei sind in der Zwischenzeit auch ins Ausland abgewandert:

Kim Nasmyth trat eine Professur in Oxford an, Ruth Wodak lehrt und forscht seit 2004 an der Lancaster University in England, und Ferenc Krausz wanderte nach Deutschland aus, wo er prompt mit dem Leibniz-Preis ausgezeichnet wurde, dem deutschen Pendant zum Wittgenstein-Preis.
Budgetvergleich: Österreich ist nicht Harvard
Besteht angesichts dieser Abgänge Anlass zur Sorge? Im Grunde geht es in der Spitzenforschung ähnlich zu wie im Spitzenfußball - um noch ein letztes Mal den Vergleich zu wagen:

Vereinen wie dem FC Chelsea oder Real Madrid, die sich die besten Fußballer der Welt leisten können, entsprechen in der Wissenschaft internationale Spitzenuniversitäten, die über Budgets in anderen Dimensionen verfügen als die heimischen Clubs bzw. Universitäten.

Das Stiftungsvermögen der Harvard University zum Beispiel beträgt satte 15 Milliarden US-Dollar.
Im Fußball wird es als Qualitätsbeweis betrachten, wenn ein österreichischer Kicker von einem dieser Spitzenvereine engagiert wird. In der Wissenschaft sollte man es ähnlich sehen. Auch wenn es da weder Europa- noch Weltmeisterschaften gibt.

Klaus Taschwer, heureka, 21.6.06
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Die ungekürzte Version dieses Artikels erscheint in der Zeitschrift "heureka", der Wissenschaftsbeilage der Stadtzeitung "Falter". Thema der aktuellen Ausgabe: "Exzellenz in der Wissenschaft".
->   heureka
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01.01.2010