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Peer-Review wird nach wie vor kontrovers diskutiert  
  Kann man den Forschungsergebnissen von Wissenschaftlern trauen? Laien können sie kaum beurteilen und die Begutachtung durch Fachkollegen, so genannte Peers, ist nicht immer objektiv.  
Wie umstritten Peer-Review-Verfahren sind, zeigte sich gestern Abend bei einer Diskussion im Rahmen der Wiener Wissenschaftsausstellung "wahr/falsch".
Sicherung von Qualität oder Fernhalten von Konkurrenz?
So manche wissenschaftliche Karriere hängt von Peer-Review-Verfahren ab. Diese kommen einerseits bei der Vergabe von Forschungsförderung zum Einsatz und andererseits auch bei Wissenschaftsjournalen, die so über die Publikationswürdigkeit von Forschungsarbeiten entscheiden.

Die Befürworter von Peer-Review-Verfahren sehen darin ein Mittel zur Qualitätssicherung in der Forschung, weil es vor fehlerhaften oder betrügerischen Beiträgen schützen kann und kommen oft aus den Naturwissenschaften oder der Medizin.

Die Gegner kritisieren vieles: die nur teils gesicherte Anonymität der Verfahren etwa, die lange Dauer der Begutachtung und die aus den Naturwissenschaften kommenden Methoden, die kaum auf anderer Wissenschaftsgebiete - wie etwa die Soziologie oder die Philosophie - übertragbar sind. Der Hauptkritikpunkt bleiben aber die Karriere sichernde Eigeninteressen der Begutachter.
Peer-Review als Innovationsbremse
Diese scheint es Studien zufolge durchaus zu geben, sagt Gerhard Fröhlich, Wissenschaftstheoretiker an der Universität Linz. "Wissenschaftler und Wissenschaftlerinnen beschäftigen sich mit einem Thema, einer Methode oft Jahrzehnte, sie sind richtig verliebt in ihre Konzepte. Daher ist es auch kein Wunder, dass Forscher, wenn sie etwas begutachten müssen, das ihren eigenen Theorien widerspricht und diese dadurch entwertet, nicht sehr objektiv ihrer Konkurrenz gegenüber sein können."

Innovative Forschungsansätze werden dadurch verhindert, so Fröhlich. Besonders problematisch sei das, wenn die Vergabe von Förderungen für riskante und innovative Projekte von Peer-Review-Verfahren abhängt.
Kontrolle der Kontrolleure und Forschungslotterie
Fröhlich plädiert deshalb für eine Evaluation der Evaluation und arbeitet am Institut für Philosophie und Wissenschaftsforschung der Johannes Kepler Universität Linz bereits daran.

Zusätzlich hält er einen unkonventionellen Lösungsvorschlag parat: "Nach einer ersten Qualitätsbewertung soll ein kleiner Prozentsatz der risikoreichen und methodisch innovativen Anträge durch Zufall - in einer Art Forschungslotterie - an Fördergelder gelangen."

Tanja Malle, Ö1, 21.6.06
->   Kritische Wissenschaftsforschung, Uni Linz
->   Ausstellung "wahr/falsch"
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01.01.2010