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Hochschulsystem: "Auf Weg ins Spätmittelalter"  
  "Fast schon spätmittelalterliche Entwicklungen" konstatiert der Vorsitzende des österreichischen Wissenschaftsrats, Jürgen Mittelstraß, im europäischen Hochschulsystem.  
Mittelstraß, auch Präsident der Academia Europaea, erläutert, in Zukunft würden die Universitäten Oxford, Paris oder Padua konkurrieren und nicht mehr Oxford mit Glasgow oder Padua mit Ferrara. Im Endeffekt würden 30 oder 40 große europäische Unis miteinander im Wettbewerb stehen.

Beim Hochschulzugang wäre es wünschenswert, wenn sich die Unis ihre Studenten selbst aussuchen könnten, so Mittelstraß am Donnerstag vor Journalisten - allerdings gebe es dabei die Gefahr eines "Wildwuchses".
Nicht alle Universitäten sind gleich
Das derzeitige österreichische Hochschulsystem verdanke sich - wie auch das deutsche - vor allem regionalen Bildungs-Gesichtspunkten, meinte Mittelstraß: "Das ist eine Aufstellung, die sich nicht automatisch in die europäische Entwicklung überführen lässt."

Bisher habe man "an der Vorstellung gestrickt, dass alle Hochschulen gleich sind". Dabei habe man sich aber "in die Tasche gelogen": Das System sei "schon viel differenzierter, als wir glauben". Nötig sei eine "neue Ehrlichkeit".
Österreichische Kandidaten: Wien und Graz
Als österreichische Kandidaten für die "großen" 30 bis 40 Unis sah Mittelstraß primär die Unis in Wien und Graz. Andere würden sich schwerer tun, da sie keine außeruniversitären Forschungseinrichtungen in nächster Nähe hätten, und müssten sich spezialisieren bzw. auf Stärken in bestimmten Disziplinen konzentrieren.

"Volluniversitäten im klassischen Sinn wird es nur an wenigen Stellen geben." Die anderen Unis müssten ihre Bildungsaufgaben im regionalen Sinn wahrnehmen und könnten in zwei oder drei Bereichen wirklich exzellent sein. Als Beispiel nannte er die Angewandte Mathematik an der Uni Linz. Die Chance der Uni Salzburg liege etwa auch in einer Kooperation mit Hochschulen in München.
Bessere Abstimmung zwischen Unis gefordert
Besonders günstige Voraussetzungen für ein Mitspielen im "europäischen Konzert" ortete Mittelstraß in Wien, wo es "enorme Potenziale" gebe. Nötig sei aber eine bessere Abstimmung: Jede Einrichtung müsse sich überlege, ob sie mit anderen kooperiere oder konkurriere.

Mit Einrichtungen, "die auf der anderen Straßenseite liegen", wäre eine Zusammenarbeit naheliegender. Den "Spezialunis" wie der Montanuniversität, Veterinärmedizinischen Universität oder der Bodenkultur rät er, ihre Schwerpunkte zu pflegen sowie Kooperationen und Allianzen zu schließen.
Unis sollten sich alle Studenten selbst aussuchen
Beim Universitätszugang hält es Mittelstraß grundsätzlich für "wünschenswert", wenn sich alle Unis ihre Studenten selbst aussuchen könnten. Die Gefahr sei dabei aber, dass dies zu einem "Wildwuchs" führe.

Zumindest "disziplinenübergreifend" müsse dafür gesorgt sein, dass die Hochschulen sich dabei abstimmen - also in den einzelnen Fächern wie Jus oder Medizin.
"Studienberatende Elemente" im Zulassungsverfahren
Bei der Zulassung bevorzugt Mittelstraß Verfahren, die "in hohem Ausmaß studienberatende Elemente einschließen" und nicht vor allem "Prüfungsergebnisse gegeneinander verrechnen".

Grundsätzlich seien auch Zahlenbeschränkungen nicht ideal: "Die Institution muss der Bildungsentwicklung folgen und nicht umgekehrt." Zunächst müsse aber festgelegt werden, wie viele Personen auf einem hohen Niveau ausgebildet werden können. Das "Kunststück" werde dann sein, niemandem den Hochschulzugang zu verwehren.

[science.ORF.at/APA, 29.6.06]
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01.01.2010