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Das Gehirn erkennt gesprochenen Unsinn im Nu  
  Unsinn wird sofort erkannt: Das menschliche Gehirn reagiert innerhalb weniger Millisekunden auf Sätze, die keinen Sinn ergeben oder für den Zuhörer verwirrend sind, mit einem erhöhten Ausschlag im EEG.  
Das berichtet Jos van Berkum von der Universität von Amsterdam am Sonntag auf dem Forum der Europäischen Hirnforscher in Wien (bis 12. Juli) mit rund 5.000 Teilnehmern.
Gehirn und Sprache
Van Berkum will wissen, wie das Gehirn Sprache verarbeitet. Dazu setzt er die so genannte Elektro-Enzephalographie (EEG) ein, die mittels Elektroden, die Hirnströme misst.

Der Wissenschafter untersuchte, wie das Gehirn von Probanden auf Sätze reagierte, die keinen Sinn machten.
Unsinnige Sätze lassen EEG ausschlagen
Ein Satz wie "Du wäschst Deine Hände mit Pferd und Wasser", zeigte im EEG einen starken Ausschlag, während dies bei dem korrekten Satz "Du wäschst Deine Hände mit Seife und Wasser" nicht der Fall war.

Van Berkum fand heraus, dass Sätze, die in sich einen Sinn ergeben, aber nicht mit den Erwartungen eines Zuhörers übereinstimmen, ebenfalls einen Ausschlag im EEG auslösen.
Gehirn reagiert auf Unerwartetes
So erwartet ein Hörer von einem Mann keinen Satz wie: "Wenn ich doch nur wie Britney Spears in ihrem neuesten Video aussähe". Die Verwirrung des Hörers zeigte sich im EEG - der Ausschlag trat bereits 200 bis 300 Millisekunden auf, nachdem der Satz gesprochen wurde. Das zeigt, wie unglaublich rasch das Gehirn auf Unvorhergesehenes reagiert.
Verständnis aus Kontext heraus
Diese Ergebnisse widersprechen der Auffassung, dass sich die Bedeutung eines Satzes erst durch ein einzelnes Wort erschließt. Doch ein Satz wie der über Britney Spears kann nicht aus dem sozialen Kontext, in dem er gehört wird, gelöst werden.

Das erscheint auch mit Blick auf die Evolution der Sprache sinnvoll. "Sprache ist der Kitt, der Gesellschaften zusammenhält. Sie entstand, um sich gegenseitig zu unterstützen und zu kommunizieren", sagte der Experte.
Ältere verarbeiten Sprache anders als Junge
Auf auch anderen Gebieten haben die Hirnforscher große Fortschritte bei der Aufklärung von Mechanismen gemacht, die für das menschliche Denken entscheidend sind. So verarbeiten offensichtlich ältere Menschen Sprache und Grammatik in Gehirn anders als junge Personen.

Damit wird sichergestellt, dass sie auch dann, wenn wichtige Teile des Gehirns durch das Altern degenerieren, Sprache noch immer verstehen können. Das zeigten Untersuchungen zur Sprachverarbeitung im Gehirn mit der so genannten funktionellen Magnetresonanztomographie (fMRT), über die Lorraine Tyler von der Universität Cambridge berichtete.
Atrophische Prozesse setzen ein
Beim normalen Alterungsprozess bilden sich die Hirnzellen ganz allmählich zurück, Mediziner sprechen von Atrophie. Dieser Prozess beginnt schon recht früh.

Bei einem Schlaganfall oder einer Hirnverletzung sind die Prozesse ähnlich, nur dass sie sehr plötzlich auftreten und häufig katastrophale Folgen haben.

Lorraine Tyler will herausfinden, weshalb einige der Sprachfunktionen trotz atrophischer Prozesse in den beteiligten Hirnregionen erhalten bleiben, andere aber nicht.
Gehirn-Scans: Grammatikverständnis im Alter?
An der Verarbeitung von Grammatik ist der linke Frontallappen der Großhirnrinde (Cortex) beteiligt. Erstaunlicherweise beginnt aber gerade in dieser Region die Atrophie des Gehirns sehr früh und dennoch können Menschen, wenn sie älter werden, Grammatik verstehen.

Die Expertin setzte die funktionelle Magnetresonanz-Tomographie (fMRT) ein. Das ist ein bildgebendes Verfahren, mit dem aktivierte Strukturen vor allem im Gehirn beobachtet werden können.

Sie verglich Aktivitätsmuster von Patienten mit Verletzungen im Frontallappen und im Schläfenbereich, die das Sprachsystem betrafen, mit denen von gesunden Probanden gleichen Alters.

"Wir konzentrierten uns auf Bestandteile der Sprache wie Stimme, Wörter, Bedeutung und Satzbau. Damit können wir erkennen, wie sich diese verschiedenen Spachkomponenten reorganisieren, wenn das Gehirn altert oder einen Schlaganfall erlitten hat", sagte sie.
Komponenten "verhalten" sich unterschiedlich
Fazit laut der Expertin: "Einige Komponenten der Sprachfunktion verteilen sich während des Alterungsprozesses mehr über beide Hirnhälften und bleiben damit erhalten, andere passen sich an die kognitiven Prozesse an. Unglücklicherweise verursachen Hirnschäden keine allmählichen Veränderungen im Gehirn."

Das könnte der Grund dafür sein, dass es so schwer ist, Fähigkeiten, die durch Schlaganfall oder Hirnverletzungen verloren gehen, wieder zu aktivieren.

[science.ORF.at/APA, 10.7.06]
->   Fifth Forum of European Neuroscience
->   Jos van Berkum, Amsterdam University
->   Centre for Speech and Language, Cambridge University
 
 
 
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01.01.2010