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Erstes deutsch-französisches Geschichtsbuch  
  Nach Jahrhunderten oft blutiger Geschichte sollen Deutsche und Franzosen aus der Vergangenheit nun gemeinsam lernen. Das ist das hehre Ziel des ersten deutsch-französischen Schulbuchs für Geschichte.  
Der erste Band wurde am Montag in Saarbrücken feierlich präsentiert. Er richtet sich an Maturaklassen, soll ab dem nächsten Schuljahr zum Einsatz kommen und umfasst die Periode seit dem Ende des Zweiten Weltkriegs.
Harte Kontraste
Ein finster blickender Adolf Hitler 1940 vor dem Eiffelturm, darunter Helmut Kohl und Francois Mitterrand, die sich 1984 auf dem Gräberfeld von Verdun an den Händen halten: Wie die Geschichte selbst bietet das Buch oft harte Kontraste.

Doch es soll nicht - quasi als Erfolgsgeschichtsbuch - nur die bilaterale Partnerschaft feiern. Dies verrät schon der Titel: "Histoire/Geschichte: Europa und die Welt seit 1945".
Idee stammte von Jugendparlament
"Es ist kein Buch der deutsch-französischen Geschichte, sondern ein deutsch-französisches Geschichtsbuch", betont Andrea Schwermer von der deutschen Kultusministerkonferenz in Bonn. Die ersten großen Fotos im ersten Kapitel "Bilanz und Folgen des Zweiten Weltkriegs" zeigen kein Konzentrationslager, sondern das 1945 durch die erste US-Atombombe zerstörte Hiroshima und die Gründungszeremonie der Organisation der Vereinten Nationen.

Die Idee zu diesem Völker verbindenden Lehrbuch stammt von einem deutsch-französischen Jugendparlament. Bei den Feiern zum 40. Jahrestag des Elysée-Vertrages 2003 schlugen die jungen Leute "ein Geschichtsbuch mit gleichem Inhalt" vor, um den Abbau gegenseitiger Vorurteile zu fördern. Die Regierungen griffen die Idee dankbar auf.
Viele Interessen unter einem Hut
Die Umsetzung war ein steiniger Weg, wie Insider einräumen. "Ein ziemlicher Spagat" sei allein die Vorgabe gewesen, die Lehrpläne aller 16 deutschen Bundesländer und des Pariser Unterrichtsministeriums unter einen Hut zu bekommen, heißt es.

Der Stuttgarter Schulbuchverlag Klett räumt ein, die Arbeit sei "eine große Herausforderung" gewesen. Das Ergebnis der Koproduktion mit dem Pariser Verlagshaus Nathan spreche aber für sich: "Die Schnittmenge ist 336 Seiten dick", sagt Janna Kuchenbäcker von Klett.
Gegenseitiges Lernen
Durch das Buch erfahren deutsche Mittelschüler etwa, wie auch Frankreich mit der Aufarbeitung der Nazi-Zeit haderte; sie lernen, die vormals so wichtige Rolle der Kommunisten im Nachbarland zu verstehen.

Und sie sehen in Grundzügen den Zerfall des französischen Kolonialreiches, der in den Indochina- und den Algerienkrieg mündete. Junge Franzosen erhalten ihrerseits Einblick unter anderem in den DDR-Alltag oder die deutsche Debatte um die Schuld an den Nazi-Gräueltaten.
"EU - Konkurrenz für die USA"
Durchaus skeptisch blickt das Unterrichtswerk auf die von US-Präsident George W. Bush "verkörperte amerikanische Politik" des Unilateralismus, die "weltweit und auch in den Vereinigten Staaten selbst kritisiert" werde.

An vielen Stellen wird deutschen und französischen Schülern dagegen beigebracht, dass Gemeinsamkeit stark macht. Herausgehoben werden vor allem die Vereinten Nationen und die Europäische Union.

Das Buch weist zwar auf Schwächen beider Organisationen hin; doch die EU etwa wird als "beeindruckendes Gefüge" gerühmt, das "eine ernst zu nehmende Konkurrenz für die amerikanische Supermacht" darstelle.

Reinolf Reis/AFP, 11.7.06
->   Das Buch: Histoire/Geschichte: Europa und die Welt seit 1945
 
 
 
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01.01.2010