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70. Jahrestag: Österreicher im Spanischen Bürgerkrieg  
  Menschen, die in einem anderen Land kämpfen, nicht als Berufssoldaten oder Söldner, sondern als Freiwillige mit politischen Idealen - das ist heute kaum vorstellbar. Im Spanischen Bürgerkrieg vor 70 Jahren war es Realität. Fast 35.000 Männer und Frauen aus 53 Staaten gingen nach Spanien. Auf der Seite der Republik kämpften sie gegen den Putsch der Faschisten. Auch knapp 1.400 Österreicher waren darunter.  
Vor 70 Jahren, am 18. Juli 1936 begann mit dem Putsch von General Francisco Franco der spanische Bürgerkrieg. Die blutige Auseinandersetzung zwischen Republik und Aufständischen entwickelte sich rasch zu einem Konflikt, der international ausgetragen wurde. Franco, der Führer der faschistischen Falange, wurde von Hitler und Mussolini mit Soldaten und Waffen unterstützt.

Auf Seiten der Republik stand die Sowjetunion, die Militärberater, Geheimdienstler und Politpropagandisten nach Spanien schickte. Die demokratischen Regierungen Europas hielten sich dagegen offiziell aus dem Konflikt heraus. Nicht so ihre Bürger. Zehntausende meldeten sich bei den Internationalen Brigaden, einem Freiwilligen-Heer, das von der Komintern initiiert wurde.
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TV-Programmhinweis
DOKUmente "Wir kämpften für Spanien - von Ottakring zum Ebro": Mittwoch, 12. Juli, 23.15 ORF2. Der Film begleitet ehemalige Interbrigadisten nach Spanien auf eine Spurensuche nach ihrer Vergangenheit, eine Aufarbeitung von Kriegserlebnissen, Liebschaften, Idealen der Jugend.
->   Mehr dazu in tv.ORF.at
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Prominente, Proletarier und Politfunktionäre
 


Es waren Kommunisten, Sozialisten, Liberale, Arbeiter, Arbeitslose, Intellektuelle, Schriftsteller wie George Orwell oder Andre Malraux. Manche waren von Parteiorganisationen geschickt, andere wiederum waren abenteuerlustige Individualisten, doch fast alle begaben sich im guten Glauben an das Ideal der Solidarität nach Spanien - um die junge Republik gegen Faschismus und Gewaltherrschaft zu verteidigen.

Einer der Österreicher, die voll Idealismus nach Spanien gingen, war Harry Spiegel. Der musisch begabte Großbürgersohn hatte hohe soziale Ideale und war alles andere als ein Soldatentyp, doch sein Einsatz führte ihn direkt an die Front: "Ans Sterben habe ich eigentlich nie gedacht, aber an ein besseres Leben, dass wir haben könnten ohne die faschistischen Diktatoren."

Überdurchschnittlich viele Österreicher waren unter diesen Interbrigadisten, denn Österreicher hatten bereits Erfahrungen mit dem Faschismus. Einerseits mit dem aufkommenden Nationalsozialismus, andererseits mit dem totalitären Ständestaat. Zudem hatten sie bereits einen lokal und zeitlich begrenzten Bürgerkrieg hinter sich, den 12. Februar 1934.
Politik von Ottakring an den Ebro
Bild: ORF
Rudolf Schober
Vor allem die sozialdemokratischen Schutzbündler in den Reihen der Interbrigadisten sahen in Spanien die Fortsetzung ihres eigenen verlorenen Kampfs in Österreich. In Spanien wollten sie den Klassenkampf fortsetzen und den Vormarsch des Faschismus aufhalten - in Spanien, in Österreich, in ganz Europa.

Was heute nach politischem Pathos klingt, ist im Kontext der Hochblüte des Internationalismus - Stichwort: Proletarier aller Länder vereinigt euch - zu verstehen. Der ehemalige Schutzbündler Rudolf Schober: "Vor allem 1938, mit dem Anschluss, als der Name Österreich ausgelöscht wurde, ist Spanien unsere ganze Hoffnung gewesen." Ganz in diesem Sinne war auch das Motto, das in einem Liedtext zu finden ist: "Unsere Heimat liegt heute vor Madrid."

Für die Arbeiterbewegung war die Entwicklung in Österreich und Spanien tatsächlich ähnlich. Nach dem Ende der Donaumonarchie bekamen die Arbeiter zum ersten Mal gesellschaftliche Gestaltungskraft. Im damals roten Wien herrschte eine gigantische Aufbruchsstimmung: Gemeindebauten wurden errichtet, soziale Einrichtungen aufgebaut, die Volksbildung gefördert, Werte, für die es sich in den Augen vieler Sozialdemokraten auch mit der Waffe in der Hand zu kämpfen lohnte.
Arbeiter gegen Adelige, Kommunisten gegen Kleriker
 


Auch in Spanien war Anfang der 30er Jahre ein Regimewechsel erfolgt. Mit dem Abtreten des Königs, war auch die jahrhundertlange Vorherrschaft von Adel und Klerus vorüber. Arbeiter und Bauern waren jetzt die treibenden Kräfte. Sie forderten Reform, manche sogar Revolution. Regelmäßig kam es zu Aufmärschen, zu Unruhen, zum Sturm auf Kirchen.

Die konservativen und faschistischen Bewegungen dagegen wollten mit aller Macht die alte Ordnung verteidigen. Ihre Galionsfigur war General Francisco Franco, der schließlich 1936 den Putsch gegen die Republik startete.

Der Bürgerkrieg in Spanien vereinte mehrere Konfliktebenen: die Verteidigung einer legalen Regierung gegen Aufständische, das Aufbegehren der lange sozial Unterdrückten gegen die Schicht der Herrschenden, der Glaubenskrieg der politischen Linken gegen die Rechte, und schließlich durch internationale Beteiligung und Propaganda die große Auseinandersetzung zwischen den Ideologien Faschismus und Kommunismus.
Freiheitskämpfer werden Familiengründer
 


Die Internationalen Brigaden waren zunächst als moralischer Faktor gedacht, als Zeichen der Solidarität mit dem spanischen Volk. Mit Dauer der Kämpfe und zunehmender Ideologisierung wurde das Verhältnis zwischen Spaniern und ihren ausländischen Mitkämpfern schwieriger. Spanische Einheiten litten unter politisch eingesetzten Kommandanten, die kein Wort der Landessprache sprachen. Die Interbrigadisten wiederum wurden von manchem spanischen Generalstäbler als Kanonenfutter an der Front verschlissen.

Aber es entstanden auch Freundschaften, Liebschaften und zahlreiche Ehen. Josef Kotz ist einer jener Österreicher, die in Spanien heirateten. Im Winter 1937 nach Spanien gekommen, musste er nach einer Verwundung in Lazarett und verliebte sich dort in die Krankenschwester. Nach wenigen Monaten heirateten die beiden.

Er gründete eine Familie und lebte viele Jahre, bis nach dem zweiten Weltkrieg in Spanien. Josef Kotz, ein Freiheitskämpfer mit Familienanschluss: "Natürlich war es zwiespältig, einerseits war da die Pflicht, wegen der ich hergekommen war, andererseits genoss ich die verliebte Zeit, spürte die Sehnsucht, die man als junger Mensch hat."
Generalprobe für den Zweiten Weltkrieg
Zweieinhalb Jahre dauerte der spanische Bürgerkrieg. Die Truppen der Republik, darunter die Internationalen Brigaden erlitten viele blutige Niederlagen und mussten sich immer weiter zurückziehen. General Francos Vormarsch war nicht aufzuhalten, zumal ihm die deutsche Luftwaffe den Weg frei bombte. Es war die Generalprobe für die Kriegsführung des Zweiten Weltkriegs. Im März 1939 zog der General in der Hauptstadt Madrid ein. Sein Regime dauerte bis 1975.

Für die republikanischen Spanier und die Internationalen Brigaden begann ein Massenexodus. Hunderte Österreicher landeten in französischen Anhaltelagern und später in deutschen Konzentrationslagern, bevor sie nach 1945 ins freie Österreich zurückkehren konnten.
Große Liebe Spanien
Bild: ORF
Josef Kotz
Trotz der dramatischen Ereignisse, die Liebe zu Spanien blieb. Bei Josef Kotz waren es die familiären Bande, die die Verbindung nach Spanien aufrecht hielt. Aber auch für die meisten anderen österreichischen Interbrigadisten blieb es eine lebenslange Beziehung. Die meisten kehrten im hohen Alter noch einmal an den Schauplatz ihrer Jugend zurück, viele davon sogar mehrfach.

1996 wurde den Interbrigadisten von der spanischen Regierung, unter dem damals konservativen Ministerpräsident en Jose Maria Aznar, sogar die Staatsbürgerschaft angeboten.

Eine späte Anerkennung des Einsatzes von Menschen, die einst die spanische Republik verteidigten, als wäre es ihr eigenes Heimatland - 70 Jahre danach ist es unumstritten: Die Heimat dieser Freiwilligen aus ganz Europa lag damals wirklich vor Madrid.

Tom Matzek, ORF Bildung und Zeitgeschehen, 11.7.06
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Buchtipps:
"Lexikon der österreichischen Spanienkämpfer 1936-1939" von Hans Landauer, Verlag der Theodor Kramer Gesellschaft, 2003. Es ist das Lebenswerk des Spanienkämpfers, der im Dokumentationsarchiv des Österreichischen Widerstands über zweieinhalb Jahrzehnte Dokumente und Fotos zusammengetragen hat.

"Der Spanische Bürgerkrieg" von Anthony Beevor, C. Bertelsmann, 2006. 7 Jahrzehnte nach den Ereignissen kann der renommierte englische Autor auch Archivmaterialen, die bis vor kurzem unzugänglich waren, verarbeiten. Das Resultat ist ein facettenreicher Einblick hinter die politischen Kulissen des Bürgerkriegs, mit überraschenden, gut belegten neuen Details.
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Mehr zu dem Thema:
->   Der lange Schatten des Krieges (oe1.ORF.at)
->   Von Franco zu Aznar: Spaniens radikaler Wandel (30.3.04)
 
 
 
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01.01.2010