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"Atmosphären-Waschmittel" trotzt Verschmutzung  
  Die Atmosphäre steuert ihre Selbstreinigung wesentlich effizienter als bisher angenommen. Selbst bei höheren Schadstoffbelastungen kommt sie mit ungefähr derselben Menge ihres wichtigsten "Waschmittels" aus.  
Dabei handelt es sich um die "OH-Radikale": hochreaktive Moleküle, die den Abbau der meisten Schadstoffe anregen und dabei auch selbst verbraucht werden.

Schwankende Schadstoffmengen wirken sich aber kaum auf die "Waschmittelmenge" in der Luft aus, wie die Chemiker Franz Rohrer vom Forschungszentrum Jülich und Harald Berresheim vom Deutschen Wetterdienst im Fachmagazin "Nature" nun feststellten.

Der einzige messbare Einfluss ist die Sonnenstrahlung, so das Ergebnis der ersten Langzeitmessung zur Selbstreinigung der Atmosphäre.
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Die Studie "Strong correlation between levels of tropospheric hydroxyl radicals and solar ultraviolet radiation" ist in "Nature" (Bd. 442, S. 184, Ausgabe vom 13. Juli 2006) erschienen.
->   Abstract in Nature
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Scheinbar nur Sonne als Einflussfaktor
"Das OH-Radikal ist an Tausenden Reaktionen in der Atmosphäre beteiligt, die es bilden können oder zerstören. Wir hatten daher erwartet, dass Schwankungen der Schadstoffmenge sehr stark die OH-Konzentration bestimmen, also bei hoher Schadstoffkonzentration wenig OH zu messen", erklärt Franz Rohrer in einer Aussendung des Jülicher Forschungszentrums.

Umso erstaunter seien die Forscher nun gewesen, dass das Auf und Ab der "Waschmittelmenge" nur mit der Intensität der Sonnenstrahlung zusammenhängt.

"Das bedeutet allerdings nicht, dass nur die Sonne die OH-Konzentration steuert", erläutert Rohrer. "Das OH-Radikal selbst scheint seine chemische Umgebung so zu beeinflussen, dass wir andere Einflüsse nicht sehen."
Suche nach unbekannten Prozessen
In Klimamodellen berücksichtigen viele Forscher derzeit noch verschiedenste Prozesse und Einflussgrößen, um die OH-Konzentration und damit den Abbau der Schadstoffe zu berechnen. Jeder einzelne dieser Prozesse ist im Prinzip gut untersucht. Ihr bisher angenommenes Zusammenspiel verfälscht jedoch das reale Bild, wie die neuen Messdaten zeigen.

"Wir haben die besten Ergebnisse erzielt, wenn wir nur die solare Einstrahlung zur Vorhersage der OH-Konzentration verwendet haben", berichtet Rohrer, "nun müssen wir herausfinden, wie das komplexe Zusammenspiel hinter dem einfachen Zusammenhang aussieht: Beeinflussen sich die bekannten Reaktionen des OH-Radikals anders als bisher zu Grunde gelegt, oder gibt es noch unbekannte Prozesse?"
"Waschmittel"-Menge nimmt nicht ab
Antworten darauf könnten sowohl Rechenmodelle an Supercomputern als auch weitere Langzeitmessungen liefern. Die Schwierigkeit dabei ist, dass OH-Radikale fast sofort mit jedem anderen Molekül reagieren: Sie werden bei Sonneneinstrahlung erzeugt, sind dann aber weniger als eine Sekunde stabil und daher bloß in winzigen Spuren in der Luft vorhanden.

Die Langzeitmessungen ergaben neben der einfachen Abhängigkeit des OH-Radikals noch ein zweites Ergebnis.

"Forscher diskutieren seit einigen Jahren, ob die Atmosphäre die global steigende Luftverschmutzung nicht mehr verkraftet und daher die Menge des OH-Radikals abnimmt", sagt Rohrer. "Wir sehen aber zum Glück bisher keinen Hinweis darauf."

[science.ORF.at/AFP/APA, 12.7.06]
->   Mehr über den OH-Kreislauf
->   Franz Rohrer, Forschungszentrum Jülich
 
 
 
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01.01.2010