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Wissenschaftler und Künstler schaffen Kunst  
  Ein schottisches Projekt versucht, eine Brücke zwischen Kunst und Wissenschaft zu schlagen. Bereits zum zweiten Mal werden Wissenschaftler und Kunstschaffende eingeladen, gemeinsam Kunstwerke aus "wissenschaftlichem Rohmaterial" zu schaffen - eine Liaison, die bereits 32 Wissenschaftler und elf Künstler eingingen.  
Die Ergebnisse der ersten Runde wurden bereits im April im Rahmen einer Ausstellung vorgestellt und sind auch auf der Projekt-Website zu besichtigen.

Das Projekt, das sich die Förderung des Dialogs zwischen Forschern und Künstlern zum Ziel gesetzt hat, wird aktuell auf der Website der Fachzeitschrift "The Scientist" vorgestellt.
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Der Artikel "When manipulating data becomes art" ist auf der Website der Fachzeitschrift "The Scientist" (14. Juli 2006) erschienen.
->   The Scientist
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Künstler sucht sich Wissenschaftler
Ob mikroskopische Aufnahmen oder wissenschaftliche Diagramme: Das Projekt "enSight" verschafft den Künstlern quasi Zugang zu "rohem" Bildmaterial aus wissenschaftlichen Experimenten, das wiederum als Quelle der Inspiration dienen soll.

Die Initiatoren des Projekts bieten im ersten Schritt Wissenschaftlern die Möglichkeit, ihre Bilder einzureichen. Daraufhin können sich Künstler, die sich für das Bild interessieren, melden und ihre erste Eingebung und Idee zu einem Kunstwerk verfassen - ein möglicher Beginn einer gemeinsamen Schaffensphase.

Denn: Anschließend entwickeln Wissenschaftler und Künstler gemeinsam - über Email-Kontakt - ein Stück Kunst. Die drei Arbeitsstationen Rohdaten - Sketch - Endprodukt werden als eine Art Triptychon von den Projektorganisatoren ausgestellt.
->   Triptychon bei Wikipedia
Beispiel 1: Die X-Chromosomen bei der Frau
 
Bild: Sally Cross, MRC Human Genetics

Auch wenn es bereits selbst wie ein Kunstwerk wirkt, so zeigt das Bild oben eine Immunfluoreszenz-Aufnahme der Inaktivierung von X-Chromosomen in Zellen. Es wurde von Sally Cross der MRC Human Genetics in Edinburgh eingereicht.

In ihrem Kommentar zum Bild geht Cross auf die Notwendigkeit ein, dass bei der Frau eines der zwei X-Chromosom inaktiviert wird. So wird das Gleichgewicht der Gen-Expressionen auf den X-Chromosomen bei Frauen und Männern (grundsätzlich nur ein X-Chromosom) gehalten: "Auf dem Bild sehen wir Zellen einer Frau mit einer Gen-Mutation auf ihren X-Chromosomen."

Die Farben drücken u.a. den unterschiedlichen Zustand der X-Chromosomen in den Zellen aus (aktiv oder inaktiv).
->   Das stillgelegte X-Chromosom (23.7.01)
Die Interpretation der Künstlerin
Bild: Claire Dufresne
Drei Künstler nutzten das Bild als Inspirationsquelle. Eine davon war Claire Dufresne.

Die Künstlerin aus Montreal, Kanada, griff den Informationsverlust durch das ausgeschaltete X-Chromosom auf und stellte eine Verbindung zu versteckten oder verlorenen Botschaften im Internet her.

Das Resultat der Arbeit: "Woman: A silent mosaic memory of mankind" (Bild rechts). Die Wissenschaftlerin Cross gefiel die Interpretation sehr gut, wie sie dem "The Scientist" gegenüber mitteilte, da sie sich der wissenschaftlichen Bedeutung annahm - und sich nicht nur auf das Aussehen der Daten bezieht.

Der Dialog zwischen Wissenschaftlerin und Künstlerin ist auf der Website der Projektseite nachzulesen (auf Englisch).
->   "Dialog" zwischen Cross und Dufresne
Beispiel 2: Kacheln und Muster
 
Bild: Edmund Harriss, Queen Mary College

"Historisch betrachtet war die Untersuchung von Kacheln und Mustern ein reiches Gebiet für die Entwicklung von mathematischen Ideen. Derzeit ist eines der aktiven Gebiete das Studium von 'Substitution Tilings'", erklärt Edmund Harriss vom Queen Mary College der University of London sein eingereichtes Forschungsbild.
->   Tilings Encyclopedia - Uni Bielefeld
Das 2D-Bild vom Künstler
 
Bild: Patrick Blaeser

Patrick Blaeser der Glasgow School of Art hat das Bild dazu inspiriert, ein "2D-Bild" zu kreieren - unter dem Titel "Substituted".

Auch dieses Bild ist Teil der Austellung im Rahmen des Projekts "enSight".
Beispiel 3: Das mtDNA-Netzwerk
John McCormack, University of California
Das rechts stehende Diagramm eines Netzwerks präsentiert laut John McCormack von der University of California in Los Angeles DNA-Samples, die von 200 Individuen einer bestimmten Vogelart genommen wurden: der Aphelocoma ultramarina, die in isolierten Gebirgszügen in Nordmexiko lebt.

Die mitochondriale DNA (mtDNA) würde immer von der Mutter an den Nachwuchs weitergegeben, sie würde sich dabei aber nicht neu kombinieren und auch nicht diploid vorliegen. Daher könne an ihr die evolutionäre Geschichte von Organismen besonders gut nachvollzogen werden, so McCormack in seiner Erläuterung zum Bild. Mutationen würden gut sichtbar und sich schnell in isolierten Populationen verteilen.
Die Schlacht der Vögel auf Leinwand
Bild: David Hutchison
Das Diagramm zeigt, dass viele verschiedene Gen-Kopien in einem begrenzten Lebensraum der Vogelart vorliegen (Kreise = unterschiedliche Gen-Kopie, Größe des Kreises = Häufigkeit).

Es inspirierte den Künstler David Hutchison aus Edinburgh zu den Worten: "Es gibt einen Krieg zwischen unterschiedlichen Fraktionen.

Mich sprechen die leuchtenden Farben an, und es (das Bild) erinnert mich an die Geschichte 'Flatland' von E. Abbot. (...) Ich bin daran interessiert, eine Schlacht der Vögel zu schaffen."

Das Acryl-Bild trägt den Titel "Junk DNA Egg".
Forscher wollen mehr gehört werden
Der Gründer des Projekts "enSight" ist Pleasantine Mill, ein Post-Doc-Student der Genetik an der MRC Human Genetics Unit in Edinburgh. Ihm geht es um den Dialog der Wissenschaftler mit dem Künstler - mit einem Vertreter außerhalb seines Bereichs.

Wie Mill dem "The Scientist" gegenüber mitteilt, gab es bei der ersten Runde neben Wissenschaftlern, die dem "philosophischen Austausch" sehr viel abgewinnen konnten, auch ein paar enttäuschte Stimmen aus der Forschungsriege: Rund die Hälfte der Teilnehmer sagte bei einer sich dem Projekt anschließenden Evaluation, dass sie sich mehr "Mitspracherecht" bei dem Endprodukt erhofft hätten.

So planen die Veranstalter beim nächsten Mal, Workshops und Touren durch die Labore anzubieten, so dass die Künstler die wissenschaftlichen Rohmaterialien aus einem Kontext heraus begreifen und so auch mehr Verständnis darüber gewinnen können, wie die Wissenschaft arbeitet.

[science.ORF.at, 18.7.06]
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Mehr Bilder
Die Online-Ausstellung der Triptychons ist auf der Website von dem Projekt "enSight" zu sehen. Für die nächste Ausstellung sind ab September 2006 Einreichungen von Seiten der Wissenschaftler und Anträge von Künstlern möglich. Die Ausstellung ist für April 2007 geplant.
->   Homepage
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->   Medical Research Counsil Human Genetics Unit - Edinburgh
->   DNArt - Kunstprojekt in Österreich (Januar 2006)
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01.01.2010