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"Apartheid": Angelsachsen unterdrückten Briten  
  Forscher vermuten, dass angelsächsische Zuwanderer in Großbritannien vor rund 1.600 Jahren eine Art Apartheid eingeführt haben. Als Beweis gilt das bis heute in England weit verbreitete angelsächsische Erbgut.  
Eine relativ kleine Gruppe Eindringlinge aus dem heutigen Norddeutschland, Holland und Dänemark habe innerhalb von wenigen hundert Jahren die einheimischen Briten "germanisiert", heißt es in einer Studie des University College London, die im Fachjournal "Proceedings B" der Royal Society veröffentlicht wird.
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Die Studie "Evidence for an Apartheid-like social structure in early Anglo-Saxon England" von Mark Thomas et al erscheint in der Fachzeitschrift "Proceedings of the Royal Society B: Biological Sciences" (19.7.06; doi:10.1098/rspb.2006.3627).
->   Proceedings B
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"Kulturelle und genetische Germanisierung"
Die wirtschaftlich und militärisch überlegenen Angelsachsen grenzten sich laut der Studie von der einheimischen Bevölkerung ab, indem sie unter anderem Eheschließungen mit Briten untersagten. Dieses Apartheid-ähnliche System habe eine "kulturelle und genetische Germanisierung" zur Folge gehabt.

Untermauert wird diese These zusätzlich durch das Gesetz von Wessex, das von dem im siebten Jahrhundert herrschenden König Ine etabliert wurde. Es verlangte eine klare Unterscheidung zwischen Angelsachsen und Briten. Ersteren wurde dabei ein bedeutend höherer Status eingeräumt.
Angelsachsen fünfmal so viel "wert"
Einen weiteren Beweis stellt die Höhe des so genannten "Wergildes" dar: Als Wergild wurde eine Art "Blutgeld" bezeichnet, das der Familie eines Opfers einer Blutfehde zu zahlen war. Der Betrag war abhängig vom sozialen und ethnischen Status des Opfers.

Auch hier unterschied das Gesetz von Wessex zwischen Zuwanderern und Einheimischen: Den Angelsachsen stand demnach ein zwei bis fünf Mal so hoher Betrag zu, wie den Briten.
Bildeten gesellschaftliche Elite
Die Zuwanderer bildeten eine gesellschaftliche Elite und hatten mehr Kinder, die das Erwachsenenalter erreichten. Dies erkläre die hohe Anzahl von Briten mit germanischen Vorfahren, erläuterte der Biologe Mark Thomas, der die Forschungen leitete.

Früheren Studien zufolge tragen im heutigen England zwischen 50 und 100 Prozent der männlichen Bevölkerung ein angelsächsisches Y-Chromosom.
Kleine Gruppe mit großen Auswirkungen
Historiker und Archäologen schätzen jedoch, dass im 5. bis 7. Jahrhundert nur eine relativ kleine Gruppe von 10.000 bis 200.000 Angelsachsen nach Großbritannien eingewandert ist, wo damals mehr als zwei Millionen Menschen lebten.

Der große genetische Einfluss der kleinen Zuwanderer-Gruppe lasse sich gut mit einem Apartheid-ähnlichen Gesellschaftssystem erklären, erläuterte Thomas.

Seine Gruppe hat die Verbreitung des angelsächsischen Erbguts unter verschiedenen Bedingungen mit dem Computer simuliert.

[science.ORF.at/APA, 19.7.06]
->   Mark Thomas - University College London
->   Angelsachsen - Wikipedia (englisch)
 
 
 
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01.01.2010