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Afrika: "Magma-Tunnel" ließ Erde reißen  
  Es ist der größte einzelne Riss in kontinentaler Erdkruste, der bisher in der Ära der Erdbeobachtung mit Hilfe von Satellitenbildern entdeckt worden ist. Die 60 Kilometer lange, stellenweise bis zu acht Meter breite Spalte hat sich im Vorjahr in der Afar-Senke in Nordostafrika gebildet und könnte einen neuen Ozean entstehen lassen. Geologen haben seither das Phänomen untersucht: Sie gehen davon aus, dass ein ebenso langer "Magma-Tunnel" in der Kruste ein Hauptmotor für die Bildung der Spalte war.  
Das geologisch hoch aktive Gebiet ist durch ein Auseinanderdriften der Arabischen und Afrikanischen Platten gekennzeichnet. Die Spalte, die sich im Herbst 2005 in Folge mehrer Erdbeben und vulkanischer Aktivität innerhalb nur weniger Wochen bildete, wird vermutlich weiter wachsen und könnte so das Rote Meer erreichen. Mit dem Einströmen des Meerwassers würden Äthiopien und Eritrea vom restlichen Afrika abgetrennt.

Anhand von Radarbildern des europäischen Umweltsatelliten ENVISAT studierten Tim J. Wright von der University of Oxford und sein internationales Team die Entwicklung von Spalten und Rissen in der Afar-Senke, die am südlichen Ende des Roten Meeres liegt.
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Der Artikel "Magma-maintained rift segmentation at continental rupture in the 2005 Afar dyking episode" ist in der Fachzeitschrift "Nature" (Bd. 442, S. 291, 20. Juli 2006) erschienen.
->   Editor's Summary
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"Trockenes" Beispiel für divergierende Platten
Divergierende, sich damit voneinander entfernende Erdplatten gibt es hauptsächlich an den mittelozeanischen Rücken im Meer, wo es damit auch zur Bildung neuer ozeanischer Kruste kommt. Oberhalb des Meeresspiegels kommt der Prozess nur selten vor, wie Freysteinn Sigmundsson von der University of Iceland in einem Begleitartikel anmerkt.

Auf dem Trockenen findet das Schauspiel allerdings u.a. im Großen Afrikanischen Grabenbruch statt. Dort bewegen sich die Arabische und die Afrikanische Kontinentalplatten auseinander, was eine Dehnung und Absenken der Erdkruste zur Folge hat.

Dieser Prozess setzte vor über 30 Millionen Jahren ein und führte auch zur Bildung des Roten Meeres.
->   "Afar Depression" bei Wikipedia
Innerhalb weniger Wochen gespaltet
Bild: Tim Wright, University of Oxford
Die Arabische und Afrikanische Erdplatten driften rund einen Zentimeter im Jahr auseinander - schleichen sich also quasi davon. Das Driften findet allerdings nicht immer gleichmäßig statt. Hier und da wird es von Erdbeben und vulkanischer Aktivität begleitet und vollzieht sich für geologische Maßstäbe enorm schnell.

Von Mitte September bis Anfang Oktober 2005 zählten die Geologen beispielsweise 163 Erdbeben in Serie: Die Erdbeben mit einer Stärke bis zu 5,6 auf der Richterskala und vulkanische Aktivität ließen in der Afar-Wüste von Äthiopien - für geologische Maßstäbe blitzschnell - mehrere Spalten und Risse entstehen. Einer davon misst 60 Kilometer. Der Riss habe sich im ersten Monat vier Meter weit geöffnet, schreiben Wright und seine Kollegen.

Und er wird weiterer Beobachtung zufolge auch größer und länger - mit welcher Geschwindigkeit in Zukunft, ist allerdings schwer vorherzusagen.

Die Forscher wagen aber die Prognose, dass das Horn Afrikas vom restlichen Kontinent in rund einer Million Jahre abgetrennt sein könnte.
3D-Modell der Äthiopien-Ereignisse 2005
Wright und sein Team bedienten sich der Satellitenbilder, um die exakten Abläufe der Ereignisse vor und nach September 2005 darzustellen und ein dreidimensionales Modell der Krustendeformation zu kreieren.

Wrights Kollegin Cindy Ebinger der University of London in einer Aussendung: "Es ist das erste große Ereignis, was wir seit der Anwendung von Satellitenbildern in einer Grabenbruchzone beobachten konnten."
Spalte: "Fenster" für erdinnere Prozesse
Die Spaltung der Erdkruste im Jahr 2005 in der Afar-Senke eröffnete den Geologen einen tiefen Blick in unterirdische Prozesse, die beim Driften von Erdplatten eine Rolle spielen.

Auslöser für die Spaltenbildung ist laut den Forschern der Magmatismus: Unterhalb der Erdoberfläche begann Magma aus den Kammern der benachbarten Vulkane Dabbahu und Gabho in einer Tiefe von fünf Kilometern auszufließen.

Allerdings floss das Magma nicht gleich vertikal nach oben, sondern mehrere Kilometer lang horizontal - und zwar der Richtung der Plattengrenzen folgend. Es bildete sich ein 60 Kilometer langer Gang ("Dike") in einer Tiefe von zwei bis neun Kilometern.

Diesen Magma-Fluss machen die Forscher für die Entstehung der Spalte verantwortlich, er hätte das Auseinanderdriften der Platten unterstützt. Mit dem Riss wurde dann die aufgebaute Spannung durch die divergierenden Platten gelöst.
2,5 Kubikkilometer Magma flossen
Der Gang hat ein Volumen von 2,5 Kubikkilometern Magma - zwei Mal mehr Material, als bei der Eruption des Mount St. Helens im Jahr 1980 ausgeblasen wurde.

Wright und seine Kollegen gehen davon aus, dass das Eindringen von Magma ein entscheidender Motor für das Driften von Erdplatten wie im Fall der Afar-Senke ist.

Für Sigmundsson haben die Ergebnisse der Forscher zeigen können, das die Gangbildung die Zugspannung durch die Platten lösen kann, wobei nur ein Bruchteil des Magmas an die Erdoberfläche gelangt. Viele Gräben oder einzelnen Verwerfungen könnten so durch den Magmatismus ausgelöst worden sein.

Vereinzelt drang das Magma auch an die Erdoberfläche - Material, aus dem die ozeanische Kruste aufgebaut ist.

[science.ORF.at, 21.7.06]
->   Tim J. Wright
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01.01.2010