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Neues Mittel gegen Nierenkrebs  
  Bessere Therapiemöglichkeiten für eine bisher sehr schlecht therapierbare Erkrankung: Die Europäische Kommission hat ein völlig neues Arzneimittel gegen Nierenzellkarzinome zugelassen.  
Sorafenib ("Nexavar"/Bayer) ist ab sofort generell für Nierenkrebs-Patienten auch in Österreich erhältlich. Bisher konnten in einem Spezialprogramm schon rund 100 Patienten in Österreich damit versorgt werden.

Dies teilte der deutsche Pharmakonzern - er steht vor der Übernahme von Schering - am Montag in einer Aussendung mit. Das Krebsmedikament hemmt sowohl das Zellwachstum als auch die Bildung von Blutgefäßen in bösartigen Tumoren.
Jährlich mehr als 200.000 Neuerkrankungen weltweit
Jedes Jahr wird weltweit bei mehr als 200.000 Menschen ein Nierenzellkarzinom neu diagnostiziert. Mehr als 102.000 sterben an dieser Krebsart, was die schlechte Prognose dieser Patienten belegt.

In Europa treten über 46.000 neue Fälle jährlich auf. In Österreich wird jährlich bei rund 1.200 Personen das Nierenzellkarzinom diagnostiziert. Ca. 440 Patienten pro Jahr sterben daran.

Die bisherige medikamentöse Standardbehandlung mit Interferon alpha (INF-alpha) oder Interleukin-2 (IL-2) hatte nur beschränkte Wirkung bzw. potenzielle schwere Nebenwirkungen.
"Multi-Kinase-Hemmer"
Sorafenib ist der erste oral verabreichbare "Multi-Kinase-Hemmer", der die Tumorzellen und die Tumorgefäße angreift. Der Wirkstoff hemmt zwei verschiedene Enzym-Klassen in bösartigen Zellen, die für das Wachstum und die Bildung von Blutgefäßen (Angiogenese) in Tumoren verantwortlich sind.

Dazu gehören die RAF Kinase, VEGFR-1,VEGFR-2, VEGFR-3, PDGFR-ß, KIT und FLT-3. Der Wirkstoff wurde ursprünglich von Onyx Pharmaceuticals entdeckt und gemeinsam mit Bayer zur Marktreife gebracht.
Progressionsfreie Überlebenszeit wird verdoppelt
"Die EU-Zulassung von 'Nexavar' ist ein bedeutender Fortschritt für die Behandlung von Patienten mit Nierenzellkarzinom, da mit diesem Präparat die progressionsfreie Überlebenszeit verdoppelt werden kann. Über ein Jahrzehnt gab es in Europa bis heute für diese Patienten keine neue zugelassene Therapieoption", sagte Gunnar Riemann, Leiter der Division Pharma bei Bayer HealthCare.
In Österreich 100 Patienten behandelt
In Österreich konnten bisher schon mehr als 100 Patienten mit Nierenzellkarzinom im Rahmen des so genannten "Named Patient Program" schon vor Zulassung des Medikaments versorgt werden.

Das Durchschnittsalter der Patienten mit neu entdecktem Nierenzellkarzinom liegt bei 66 Jahren. Bei etwa einem Drittel der Patienten sind zum Zeitpunkt der Diagnose bereits Metastasen (Tochtergeschwülste in anderen Organen) vorhanden. Hier kann nur noch eine medikamentöse Therapie helfen.
"Allgemein gut verträglich"
"'Nexavar' verzögert das Fortschreiten des Nierenkrebses und ist allgemein gut verträglich", betonte Bernhard Escudier, Leiter der Abteilung für Immuntherapie und innovative Therapien am Gustave-Roussy Institut in Paris, Frankreich.

Escudier ist einer der Studienleiter der Phase-III-Studie, die zur Zulassung durch die Europäische Kommission geführt hat. Bei den behandelten Patienten war die Krankheit im Durchschnitt sechs Monate lang zum Stillstand gekommen.

Die Verabreichung eines Scheinmedikaments statt dem neuen Medikament zeigte ein Fortschreiten nach durchschnittlich drei Monaten.
Mehr als 8.000 Test-Patienten
Bisher wurde das Medikament an mehr als 8.000 Patienten mit mehr als 20 Krebsarten geprüft. Gegenwärtig laufen Phase-III-Studien zur Behandlung des fortgeschrittenen Leberkrebses und des metastasierenden Melanoms. Eine Phase-III-Studie an Patienten mit nicht-kleinzelligem Lungenkarzinom wurde im Februar 2006 begonnen.

Der deutsche Pharmakonzern Bayer setzt in das Krebstherapeutikum hohe Umsatzerwartungen. Die Wirksubstanz wird den neuen Therapeutika der "zielgerichteten Krebsbehandlung" (targeted therapy) zugerechnet.

Der US-Konzern Pfizer hat mit "Sutent" ein ähnliches Medikament in fortgeschrittener Entwicklung. Schering und Novartis beendeten hingegen ein Programm zur Entwicklung eines weiteren derartigen Arzneimittels wegen Mangels an Erfolg.

[science.ORF.at/APA, 25.7.06]
->   European Medicines Agency - EMEA
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->   Impfung: Nierenkrebszellen erhöhen Überlebensrate (20.2.04)
 
 
 
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01.01.2010