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Stammzellenforschung: "Teilweise Alchemie"  
  Unseriöse und nicht haltbare Heilanpreisungen sind für Johannes Huber, Vorsitzender der Bioethikkommission, derzeit das größte Problem bei der Diskussion über Forschung an embryonalen Stammzellen.  
"Tatsächliche sind wir teilweise noch auf dem Stand der Alchemie", sagte der Wissenschaftler bei einer Bilanz-Pressekonferenz der Bioethikkommission am Donnerstag in Wien. Stammzellenforschung war und ist eines der Hauptthemen des Gremiums.
Erst am Anfang des Verstehens
Die Forscher seien erst dabei zu verstehen, wie Stammzellen im natürlichen Umfeld funktionieren und etwa aus einem befruchteten Ei Gewebe, Organe und schließlich ein ganzer Mensch werden.

Wenn man Stammzellen ins Gehirn injiziert um einen Schaden zu heilen, könne man eigentlich nur hoffen, dass irgendetwas passiert. "Tatsächlich wird die Stammzellenforschung teilweise aber so verkauft, dass die Menschen glauben, schon morgen gibt es Heilung für Krebs oder Morbus Alzheimer", kritisierte Huber.
Es braucht differenzierte Sichtweisen
Diese unseriösen Heilanpreisungen seien mit ein Grund für die kontroversiell geführte Diskussion. Es sei eine wichtige Aufgabe der nun seit fünf Jahren bestehenden Bioethikkommission, differenzierte Diskussionen über strittige Themen anzuregen und vom Schwarz-Weiß-Denken abzukommen.

Auch den erklärten Gegnern der embryonalen Stammzellenforschung rät Huber zu einer differenzierteren Sicht. So fallen bei der Befruchtung im Reagenzglas (IVF) Embryonen im Vierzell-Stadium an, die zwar leben, aber unmöglich zu Menschen werden können. Diese könnte man, anstatt sie zu vernichten, für die Grundlagenforschung einsetzen.
Stellungnahme zu OGH-Urteil
Als "problematisch" bezeichneten Huber und Günther Pöltner, Philosophie-Professor an der Uni Wien und stellvertretender Vorsitzender der Kommission, unisono ein erst kürzlich bekannt gewordenes Urteil des Obersten Gerichtshofes (OGH) zur Causa eines Salzburger Gynäkologen.

Dem Arzt wird vorgeworfen, eine Schwangere unzureichend über eine mögliche Behinderung ihres Kindes informiert zu haben. Die Eltern haben den Arzt auf Unterhaltskosten geklagt, die Sache ging bis zum OGH. Dieser hat nun die Causa mit einem Hinweis auf die Informationspflicht des Arztes an die Erstinstanz zurückverwiesen.
Gefahr der Defensivmedizin
"Das könnte Ärzte in Richtung Defensivmedizin drängen", meinte Pöltner. Das heißt, dass problematische Untersuchungen oder Behandlungen tunlichst vermieden werden, um sich zu schützen.

Der Experte befürchtet aber auch finanzielle Auswirkungen. Mehr Information für den Patienten sei sicher wünschenswert, etwa im Krankenhaus aber nur durch zusätzliches Personal zu bewältigen, ist Pöltner überzeugt.
Biobanken werden bis Oktober diskutiert
Einen derzeitigen Schwerpunkt der Diskussionen in der Bioethikkommission bildet das Thema Biobanken. Dabei geht es um die Sammlung von Körpersubstanzen bis hin zu ganzen Organen.

Eine völlige Information des Spenders, was mit dem Material passieren könnten, wie vielfach gefordert, sei unmöglich zu verwirklichen. In der Wissenschaft kennt man heute oft die Fragen von morgen nicht, geschweige denn die Antworten. Huber und Pöltner kündigten eine Stellungnahme der Kommission für Oktober 2006 an.

[science.ORF.at/APA, 27.7.06]
->   Bundeskanzleramt - Bioethik
->   Stammzellenforschung: Reaktionen auf EU-Einigung (25.7.06)
->   Gesetzesnovelle soll jede Form des Klonens verbieten (28.6.04)
 
 
 
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01.01.2010