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Medikamententest: Dramatische Spätfolgen  
  Vier Probanden, die nach einem Medikamententest in London vor einem halben Jahr nur knapp überlebt hatten, könnten als Folge Krebs oder ernsthafte Autoimmunerkrankungen entwickeln.  
Das behauptet jetzt ein wissenschaftlicher Bericht ihrer Anwälte.

Im März dieses Jahres hatten sich insgesamt acht Männer das neue Mittel mit der Bezeichnung TGN1412 in einer Klinik des US-Konzerns Parexel verabreichen lassen. Der Test war Teil einer klinischen "Phase eins"-Studie, bei welcher Medikamente das erste Mal an einer kleinen Gruppe gesunder Freiwilliger auf ihre Sicherheit geprüft werden.

Sechs der Testpersonen erlitten nach der Einnahme des Mittels der deutschen Firma TeGenero ein Multiorganversagen.
Fatale Fehlwirkung
Das Medikament wurde zur Bekämpfung von Blutkrebs, Multipler Sklerose und Rheuma entwickelt. Der in einer Zellkultur erzeugte Wirkstoff TGN1412 sollte an bestimmte T-Zellen andocken und so deren Vermehrung anregen.

Nach Meinung von Experten hat der Wirkstoff aber vermutlich sämtliche T-Zellen aktiviert, was zu einer so genannten Superimmunreaktion führte, bei welcher die Zellen den eigenen Körper attackierten.
Ernsthafte Konsequenzen
Die Männer hätten sich zwar langsam erholt, aber müssen jetzt möglicherweise mit ernsthaften medizinischen Konsequenzen rechnen.

Für die Probanden ist es eher wahrscheinlich, Lymphknotenkrebs oder ernsthafte Autoimmunkrankheiten zu bekommen, behauptet Martyn Day von der Londoner Versicherungsfirma Leigh Day and Co gegenüber dem "New Scientist". Einer der Männer zeige bereits erste Anzeichen von Lymphknotenkrebs.
Immunabwehr nachhaltig beeinträchtigt
Der Immunologe Richard Powell vom Queen's Medical Centre, Nottingham hat im Auftrag der Firma vier der Testpersonen über einen längeren Zeitraum beobachtet. Er stellte fest, dass sie nur über eine sehr niedrige Anzahl eines bestimmten Typs weißer Blutzellen verfügen, so genannter regulatorischer T-Zellen.

Genau deren Vermehrung sollte die Einnahme des getesteten Medikaments bewirken. Bei gesunden Männern variiert ihre Anzahl zwischen drei und fünf Prozent, bei den vier Probanden liegt sie bei unter einem Prozent.
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Die Verringerung dieses Zelltyps, der für die Immunantwort des Körpers wesentlich ist, könnte zu Autoimmunreaktionen oder zu allergischen Problemen führen. Laut Bericht hätten drei der vier Männer ein Risiko von über 50 Prozent eine Autoimmunerkrankung zu entwickeln, einer sogar von über 75 Prozent.

Die Londoner Anwaltsfirma will jetzt versuchen, mit dem verantwortlichen Konzern Parexel zu einer außergerichtlichen Einigung im Sinne der Betroffenen zu kommen.

[science.ORF.at/1.8.06]
->   TGN1412 - Wikipedia
->   TeGenero
->   New Scientist
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->   Fataler Medikamententest: Suche nach den Ursachen (23.03.06)
->   Medikamententest: Zwei Männer in Lebensgefahr (16.03.06)
 
 
 
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01.01.2010