News
Neues aus der Welt der Wissenschaft
 
ORF ON Science :  News :  Umwelt und Klima 
 
Schwedischer AKW-Störfall: Fachleute uneinig  
  Ein Störfall im schwedischen Atomkraftwerk Forsmark vom Ende letzten Monats wurde vielerorts als "Fast-Super-GAU" bezeichnet. Eine Meinung, die keineswegs alle Fachleute teilen.  
Während der frühere Direktor des betroffenen Kraftwerks meint, es habe große Gefahr bestanden, sagen Risikoforscher das Gegenteil, und schwächen ab.
Auslöser: Kurzschluss
Auslöser für den Vorfall war ein Kurzschluss bei Arbeiten an einem Stellwerk außerhalb des Atomkraftwerkes Forsmark in der Nähe von Uppsala. Am 25. Juli wurden die Siedewasserreaktoren von Forsmark automatisch gestoppt, weil die Reservestromversorgung nicht in Gang kam.

Normalerweise sollen bei einem Stromabbruch vier dieselbetriebene Generatoren automatisch starten, doch zwei der Aggregate konnten erst nach 23 Minuten per Hand gestartet werden. die Umweltorganisation Greenpeace zitiert den früheren Direktor des Atomkraftwerks, der meint, es sei pures Glück gewesen, dass es nicht zu einer Kernschmelze gekommen sei.
"Kein kritischer Zustand"
Weniger dramatisch sieht die Situation der AKW-Spezialist Emmerich Seidelberger vom Institut für Risikoforschung der Universität Wien:

Unseren Informationen zufolge lag eigentlich nie ein kritischer Zustand vor. Wenn die Dieselmotoren nicht Gang gekommen wären, wären demnach keine Schmelzvorgänge ausgelöst worden.
Problem mit Stromversorgung
Nach bisherigen Untersuchungen liegt das Problem bei fehlerhaft konstruierten Gleich- und Wechselstromwandlern der Reservestromversorgung. Jetzt ist noch einer der drei Reaktoren betriebsbereit, die anderen sind abgeschaltet, weil die Sicherheit nicht bis ins letzte Detail gewährleistet werden kann, heißt es aus dem Atomkraftwerk in Forsmark.

Bis klar sei, dass die Reaktoren eins und zwei bei äußerem Stromabbruch mit Reservestrom laufen, bleiben sie vom Netz.
Zwei weitere Reaktoren abgeschaltet
Auch zwei Reaktoren des AKW Oskarshamn wurden in der Folge des Störfalles im AKW Forsmark abgeschaltet, weil dort ähnliche Sicherheitssysteme angeschlossen sind.
Wie lange die Reaktoren abgeschaltet bleiben müssen, wird frühestens im Laufe des heutigen Tages (4.8.06) entschieden.


Die schwedische Behörde für Reaktorsicherheit meint allerdings, dass die Sicherheitsmaßnahmen in den AKWs so gut sind, dass selbst dann nichts passiert wäre, wenn man den Kurzschluss im Stellwerk nicht entdeckt hätte. Die AKWS seien mehrfach abgesichert.
Vorfall: Sicherheitsstufe 2 erreicht
Im Wesentlichen stellt auch Emmerich Seidelberger den Schwedischen Atomkraftwerken ein eher gutes Zeugnis aus:
"An und für sich ist das Sicherheitsmaß in Schweden hoch. Aus unserer Sicht kann man nicht sagen, dass das etwas sehr Außergewöhnliches war."

"Natürlich, zwei Dieselgeneratoren starteten nicht, weshalb der Vorfall in die INES-2-Stufe ("International Nuclear Event Scale", Anm.) kategorisiert wurde. Aber Aussagen, denen zufolge etwas Gröberes hätte passieren können, sind aufgrund unserer Unterlagen nicht zu verifizieren", so Seidelberger.
->   INES - Wikipedia
Sicherheitschef warnt
Manche in Schweden sehen es weniger gelassen: Der Sicherheitschef im AKW Forschmark behauptet, die Mängel im elektrischen Versorgungssystem seien der Lieferfirma schon seit Beginn der 90er Jahre bekannt gewesen, diese habe aber nichts dagegen unternommen. Sie habe die fehlerhafte Technik im Gegenteil auch in anderen Reaktoren eingebaut, und zwar in Finnland.

Der Strompreis in Schweden stieg sprunghaft auf Rekordhöhe. Zum einen wegen der Reaktorabschaltungen, zum anderen wegen des Wassermangels in den Wasserkraftwerken. Die Hälfte der schwedischen Stromversorgung wird von AKWs abgedeckt.

Martin Haidinger, Ö-1-Wissenschaft, 4.8.06
->   Kernkraftwerk - Wikipedia
->   Institut für Risikoforschung, Uni Wien
 
 
 
ORF ON Science :  News :  Umwelt und Klima 
 

 
 Übersicht: Alle ORF-Angebote auf einen Blick
01.01.2010