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Blick ins Innere versteinerter Embryonen  
  Es sei eine "Revolution auf dem Gebiet der Paläontologie", beschreibt das Fachjournal "Nature" die Anwendung einer neuen Form der Tomografie. Der Anlass: Einer internationalen Forscherguppe gelang es, einen Blick in das Innere von rund 500 Millionen Jahre alten Mikrofossilien zu werfen. Durch die dabei gewonnenen Erkenntnisse muss nun der Ursprung der Gliederfüßer neu datiert werden.  
Das Besondere an der Untersuchung sei vor allem, dass man nun erstmals fossile Embryonen durchleuchtet habe, die nur einen Millimeter klein und extrem selten seien, berichtet das Team um Philip Donoghue von der University of Bristol. Mit den bisher angewandten Methoden konnten sie nur unzureichend analysiert werden.
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Die Studie "Synchrotron X-ray tomographic microscopy of fossil embryos" von Philip C. J. Donoghue et al. erschien in "Nature" (Bd. 442, S.680-3; doi: 10.1038/nature04890).
->   Abstract
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Blaue Mauritius der Paläontologie

Dass Fossilien von ausgestorbenen Lebewesen Jahrmillionen überdauern, ist an sich schon ein seltenes Ereignis und daher ein außerordentlicher Glücksfall für die Paläontologie. Das gilt zumal für Embryonen, die offenbar besonders leicht durch äußere Einflüsse zerstört werden können, wie Philip Donoghue von der University of Bristol betont:

"Aufgrund ihrer geringen Größe und ihrer äußerst unsicheren Konservierung sind Embryonen die seltensten aller Fossilien. Als gelatinöse Zellkugeln verrotten sie normalerweise innerhalb von Stunden. Diese Fossilien sind daher äußerst kostbar, weil sie Informationen über die evolutionären Änderungen in Embryonen während der letzten 500 Millionen Jahre beinhalten. Wir können mit ihrer Hilfe gewissermaßen in die Morgendämmerung des Lebens blicken."
Mikrotomografie ermöglicht neue Einsichten
Dieser Blick in die Vergangenheit wurde durch eine neue Art der Mikrotomografie ermöglicht, die im Fachjargon auf den etwas sperrigen Namen "synchrotron-radiation X-ray tomographic microscopy" (SRXTM) hört. Die Technik erlaubt es, die anatomischen Feinstrukturen kleiner Fossilien sichtbar zu machen, ohne dass dabei die Proben zerstört werden.
Furchungsteilung vor 500 Mio. Jahren
 
Bild: Philip Donoghue et al.

Das Team um Donoghue analysierte eine Reihe verschiedener Fossilien, die Einblicke in die Naturgeschichte des Kambrium geben. Zum einen Embryonen, die in der Provinz Shaanxi in Südchina gefunden wurden. Sie zeigen so genannte Blastomeren - also jene Strukturen, die bei der Furchungsteilung der befruchteten Eizelle entstehen (Bild oben).

Laut Auskunft der Forscher wirft das ein neues Licht auf die Entstehung der Gliederfüßer, zu denen etwa die Insekten und Krebstiere gehören. Sie seien offenbar früher entstanden, als man bisher geglaubt hat.
Ein kleiner Wurm mit Manneskraft
 
Bild: Philip Donoghue et al.

Das Bild oben zeigt die tomografische Rekonstruktion eines ca. einen Millimeter großen Embryos der Gattung Markuelia (a - f: Mundstrukturen farbig unterlegt). Dabei handelt es sich um ein primitives wurmartiges Tier, das vermutlich relativ nahe mit den heute lebenden Pripas-Würmern verwandt ist.

Letztere wurden aufgrund ihrer besonderen Körperform vom Schwedischen Naturforscher Carl von Linné nach Priapos, dem griechischen Gott der Manneskraft, benannt. Die Fossilien stammen aus kambrischen Gesteinsschichten der südchinesichen Provinz Hunan sowie aus der Petrotsvet-Formation in Dvortsy, Ostsibirien.

Im Video (siehe Link unten) zu dieser Rekonstruktion kann man eine Reise durch die Mundstrukturen des fossilen Embryos unternehmen.
->   Video: Blick in den Mund von Markuelia
Bildung neuer Körpersegmente
 
Bild: Philip Donoghue et al.

Donoghue und Kollegen untersuchten auch einen Embryo der wurmartigen Gattung Pseudooides. Auch hier konnten anatomische Details aufgelöst werden, die den bisher angewandten Methoden - etwa Licht- und Elektronenmikroskopie - verborgen blieben.

Auf dem Bild oben (f) ist die Entwicklung des so genannten Keimbandes zu sehen, das sich etwa auch bei den heute lebenden Gliederfüßern und manchen Ringelwürmern findet. Die Daten weisen nach Ansicht der Autoren darauf hin, dass Pseudooides einen bisher unbekannten Mechanismus verwendete, um ihrem Körper in der Embryonalentwicklung neue Segmente hinzuzufügen.

[science.ORF.at, 10.8.06]
->   Website von Phil Donoghue
->   Mehr über Fossilien im science.ORF.at-Archiv
 
 
 
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01.01.2010