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Experte: Was gegen Plagiate hilft  
  Bis zu einem Drittel aller akademischen Abschlussarbeiten sind nach Expertenansicht zumindest zum Teil abgeschrieben. Der Plagiatsforscher Gerhard Fröhlich hält zwei Gegenstrategien für sinnvoll: zum einen die Verbesserung der Lehre, die für ein kritischeres Bewusstsein sorgen soll, zum anderen "Open Access" - die Online-Veröffentlichung aller akademischen Texte.  
Bis zu 30 Prozent gefälscht
Am Mittwoch schätzte die Politologin und Plagiats-Expertin Birgit Sauer von der Universität Wien den Anteil gefälschter akademischer Abschlussarbeiten auf 30 Prozent ein.

Eine Zahl, die auch der Wissenschaftstheoretiker Gerhard Fröhlich von der Universität Linz für glaubhaft hält und seinen eigenen Erfahrungen entspricht.
->   Akademische Arbeiten: Bis zu 30 Prozent Plagiate (9.8.06)
Kaum empirisch untersucht
Allerdings: Empirische Untersuchungen dazu gebe es bisher kaum. Wer Forschungsprojekte zu Fälschungen in der Wissenschaft einreicht, sehe sich sehr oft mit dem Vorwurf des "Nestbeschmutzens" konfrontiert.

"Die Logik dahinter: Wir dürfen unsere eigene Disziplin oder die Wissenschaft als solche nicht öffentlich kritisieren, denn sonst verlieren wir Forschungsmittel."

Eine einzige angelsächsische Studie ist Fröhlich zum Thema bekannt. Sie hat allerdings nicht Plagiate akademischer Abschlussarbeiten untersucht, sondern ganz allgemein unethische Verhaltensweisen wie z.B. "Ehren-Autorenschaften" bei Studien. Ein Drittel der damals Befragten gab an, sich zumindest schon einmal derart "unethisch" verhalten zu haben.
Mehr Aufklärung, mehr Kritikfähigkeit
Um gegen Plagiate von Studierenden zu kämpfen, setzt Fröhlich auf Aufklärung. Er beklagt, dass es zu wenige Lehrveranstaltungen am Beginn des Studiums gibt, in denen grundlegende Dinge vermittelt werden: etwa was ein Plagiat ist, und wodurch es sich vom korrekten Zitieren oder Paraphrasieren unterscheidet.

Zum wissenschaftlichen Handwerk gehöre aber auch die Entwicklung von kritischem Bewusstsein, so Fröhlich. Sein Vorschlag für eine Lehrveranstaltung: "Jeder bringt einen selbst geschriebenen Text mit und trägt den vor. Die anderen spielen 'Gutachter' und bewerten den Text. Auf diese Weise entsteht doppelte Kritikfähigkeit: Man lernt Kritik zu formulieren und sie zu ertragen."

Der Fehlernachweis als Feedback nach Referaten sei derzeit bei den meisten Seminaren unüblich, kritisiert der Wissenschaftstheoretiker.
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Anti-Plagiats-Software auf den Unis
In einer Reaktion auf den Fall in Klagenfurt haben am Donnerstag alle großen Unis den Einsatz von Anti-Plagiats-Software angekündigt.
->   Mehr dazu in oesterreich.ORF.at (10.8.06)
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Digital ist besser
Prinzipiell bevorzugt Fröhlich mündliche Leistungsnachweise: "Wer nicht frei vortragen kann und dann später einen einwandfreien schriftlichen Text in meinen Seminaren abliefert, erregt mein Misstrauen."

Wichtig sei es auch, von den Studierenden nicht nur Texte auf Papier zu bekommen, sondern digitale Versionen. Denn die lassen sich auf etwaige Plagiate viel leichter überprüfen.
Texte zumindest "ausgoogeln"
Die Minimalanforderung dafür ist das Überprüfen von Textstellen via Internet, Stichwort "Ausgoogeln". Das Web an sich hält Fröhlich in diesem Zusammenhang für "janusköpfig". Einerseits vereinfache es das Abschreiben von Texten, andererseits eben auch die Kontrolle.

Eine alte Forderung von Fröhlich lautet - nicht nur - deshalb auch "Open Access": Wenn alle akademischen Arbeiten ab der Diplomarbeit via Internet öffentlich zugänglich gemacht werden, erhöht sich das Risiko, beim Abschreiben ertappt zu werden, dramatisch.
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Symposion zum Thema in Linz 2005
Im April des Vorjahrs fand in Linz ein Symposion zum Thema statt. Stefan Weber, der den aktuellen Fall in Klagenfurt ins Rollen gebracht hat, schrieb damals einen Gastbeitrag darüber - u.a. über die Vorteile von "Open Access".
->   Text von Stefan Weber (18.4.05)
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Unterschiede der Textkulturen
Doch das Beharren auf echten und authentischen Texten ist nicht nur eine Frage von wissenschaftlich korrektem und legalem Verhalten. Es betrifft auch die im Wandel befindliche Rolle von Texten an sich und den verschiedenen Wissenschaftskulturen, in denen sie auftreten.

Der klassische Autorenbegriff ist in den Naturwissenschaften z.B. längst überholt, betont Fröhlich: "Hier arbeiten oft Gruppen von 20 oder 30 Forschern. Zwei von ihnen übernehmen die eigentliche Textarbeit, als Kollektiv kommen sie zu ihren Resultaten."

Wenn in den Geisteswissenschaften hingegen zwei Forscher einen gemeinsamen Text schreiben, so falle dies schon als Ausnahme auf. Der Unterschied sei zwar signifikant für unterschiedliche Kulturen, aber kein Hinweis auf mehr oder weniger Qualität, meint Fröhlich.

Lukas Wieselberg, science.ORF.at, 10.8.06
->   "Echtfalsch" an der Uni Linz
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Ernst Mach Forum zum Thema im Oktober
Das achte Ernst Mach Forum in Wien widmet sich unter dem Titel "Das Zitat: Urheberschaft und Fälschung in den Wissenschaften" ebenfalls dem Thema.

Termin: 18. Oktober 2006, 18:00 Uhr
Ort: Österreichische Akademie der Wissenschaften (ÖAW)
Johannessaal, Dr. Ignaz Seipel-Platz 2, 1010 Wien
->   Mehr zu der Veranstaltung (ÖAW)
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Mehr zu dem Thema in science.ORF.at:
->   Plagiatsforscher wurde plagiiert (17.8.05)
->   Verlage sagen Plagiarismus den Kampf an (19.5.05)
->   Birgit Sauer: Plagiate im Zeitalter von "Copy and Paste" (19.8.03)
 
 
 
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01.01.2010