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Erfolgreiches Projekt zur AIDS-Bekämpfung in Afrika  
  Fast genau 25 Jahre nach dem ersten wissenschaftlichen Bericht über das HI-Virus begann am Sonntag im kanadischen Toronto die 16. Welt-AIDS-Konferenz. Weltweit am meisten von AIDS betroffen sind die afrikanischen Länder südlich der Sahara. Ein Pilotprojekt, das in großem Umfang Gratis-Medikamente zur Verfügung stellt und von den lokalen Politikern unterstützt wird, sorgt für vorsichtigen Optimismus.  
Rund 40 Millionen Menschen sind zurzeit weltweit mit dem HI-Virus infiziert, fast alle leben in den armen Ländern Afrikas und Asiens. Das Treffen in Toronto mit rund 20.000 Teilnehmern sucht unter anderem nach neuen Wegen, um mehr Menschen zu behandeln.

Um zu überprüfen, mit welchen relativ einfachen Mitteln auch in armen Ländern die AIDS-Sterblichkeit verringert werden kann, wurde im afrikanischen Sambia vor vier Jahren ein Pilotprojekt begonnen. Von den ermutigenden Resultaten berichtet ein Medizinerteam um Jeffrey Stringer vom sambischen Forschungszentrum für ansteckende Krankheiten im "Journal of the American Medical Association" (JAMA).
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Die Studie "Rapid Scale-up of Antiretroviral Therapy at Primary Care Sites in Zambia" erscheint im JAMA (Bd. 296, S. 782; 16.8.06) und wurde vorab auf der Konferenz in Toronto vorgestellt.
->   JAMA
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16 Prozent der Bevölkerung infiziert
Die rund 11,5 Millionen Einwohner Sambias gehören zu den ärmsten und am stärksten von AIDS betroffenen Menschen der Welt. 16 Prozent der Bevölkerung sind mit dem HI-Virus infiziert, 22 Prozent in der Hauptstadt Lusaka.

Im Jahr 2003 sind mehr als 90.000 Sambier an AIDS gestorben. In dem Staat konnten sich lange Zeit nur die Allerreichsten eine wirksame antiretrovirale Therapie (ART) auf privater Basis leisten.
Gratis-Medikamente für alle
2002 begann das Gesundheitsministerium des Landes deshalb mit einem Pilotprojekt: An zwei, später vier Spitälern wurde mit einem Verteilungsprogramm von ART begonnen.

In einem Zeitraum von 18 Monate wurden die Medikamente an alle Patienten gratis verteilt, auch die Begleituntersuchungen kosteten nichts. Schließlich wurde das Programm auf weitere 14 Versorgungszentren ausgeweitet.
Zu wenig Ärzte, aber gute Krankenschwestern
Ein Hauptproblem Sambias ist die geringe Zahl an ausgebildeten Ärzten: Wie die Studienautoren betonen, überwogen zu Beginn des Programms deshalb die Befürchtungen, dass es nicht ordnungsgemäß durchgeführt werden kann.

Doch man machte aus der Not eine Tugend, und die Patienten wurden in erster Linie von Krankenschwestern und anderen Spitalsbediensteten betreut.
Nach 90 Tagen Werte wie in Industrieländern
Die Zwischenergebnisse des Projekts sind nach Angaben der Forscher viel versprechend. Knapp 22.000 Menschen nahmen teil (Durchschnittsalter: 35 Jahre, knapp zwei Drittel Frauen, alle Stadien des Krankheitsverlaufs), rund 16.000 von ihnen erhielten ART.

1.142 dieser Patienten starben - die meisten von ihnen in den ersten 90 Tagen der Behandlung, dem bekanntermaßen "kritischen Zeitraum" nach Medikamentationsbeginn.

Danach sank die Zahl auf fünf Todesfälle pro hundert Patientenjahre (eine Kenngröße zur Messung der Sterblichkeit). Dieser Wert entspricht in etwa den Zahlen von Industrieländern und wird von den Wissenschaftlern als Erfolg verstanden.
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Vor 25 Jahren wurde AIDS erstmals beschrieben
Am 5. Juni 1981 erschien ein Artikel in einem amerikanischen Fachjournal, der Medizingeschichte schreiben sollte. Erstmals wurden darin Symptome einer Krankheit aufgezählt, die später AIDS genannt wurde.
->   Mehr dazu (2.6.06)
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Vier entscheidende Faktoren
Nach Auskunft der Forscher lagen die schnelle Ausbreitung und der Erfolg des Programms an vier Faktoren: Erstens die Kostenlosigkeit der Behandlung, die einen gleichen Zugang für alle ermöglichte. Zweitens die strikte Einhaltung der Therapievorgaben durch das medizinische Personal trotz akuten Ärztemangels.

Drittens die Eingabe sämtlicher Daten in ein zentrales Monitoring-System. Und last but not least die umfangreiche Finanzierung, die zu einem großen Teil aus den Mitteln des "Emergency Plan for AIDS Relief (Pepfar)" des amerikanischen Präsidenten stammte.
Vorsichtiger Optimismus
Der Schluss der Forscher ist eindeutig: Die Lage in Sambia sei nach wie vor kritisch, vor allem in Sachen Prävention müssten Fortschritte erzielt werden. Jedes Jahr infizieren sich weitere 100.000 Menschen mit dem HI-Virus.

Dennoch: "Die ersten Ergebnisse des ART-Programms stimmen optimistisch. Die Erfahrung zeigt, dass es möglich ist, tausende Afrikaner in den Städten mit den nötigen Mitteln zu versorgen, wenn die Finanzierung stimmt und die lokalen Behörden mitspielen."

[science.ORF.at, 14.8.06]
->   16. Welt-AIDS-Kongress (13. bis 18. August in Toronto)
->   Forschungszentrum für ansteckende Krankheiten, Sambia
->   Pepfar
Mehr zu dem Thema in science.ORF.at:
->   AIDS-Experten: Möglichkeiten besser nützen (28.7.06)
->   Was HIV für Menschen gefährlich macht (16.6.06)
->   UNO: 38,6 Millionen Menschen sind HIV-infiziert (30.5.06)
->   Feldstudie bestätigt: HIV kam von Schimpansen (26.5.06)
 
 
 
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01.01.2010