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Emulgator trennt oder mischt Wasser und Öl nach Belieben  
  Wasser und Öl sind eigentlich nicht mischbar - nur über den Einsatz eines so genannten Emulgators entsteht ein Gemisch. Allerdings ist es nicht einfach, die zwei Flüssigkeiten dann wieder zu trennen. Das könnte sich nun ändern: Ein US-kanadisches Forscherteam hat erstmalig einen Emulgator entdeckt, der - je nach Belieben - Wasser und Öl mischt und wieder trennt.  
Ein Team um Philip Jessop von der Queen's University in Kingston (Kanada) hat eine Art "An- und Ausschalter" bei einer Stoffgruppe der Alkyl-Amidine gefunden. Der Schalter wird dabei relativ umweltfreundlich betätigt: Durch den Einfluss von Kohlendioxid entsteht die Emulsion, durch Sauerstoff werden die Komponeten wieder entmischt.
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Der Artikel "Switchable Surfactants" ist in der Fachzeitschrift "Science" (Bd. 313, 18. August 2006, S. 958) erschienen.
->   Abstract
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Die Helfer beim Mischen
Emulgatoren bewirken, dass sich zwei Flüssigkeiten miteinander mischen, die eigentlich nicht zu mischen sind: Die Bilder von schwimmenden Ölteppichen auf dem Meerwasser sind ein anschauliches Beispiel für das "natürliche" Verhalten zweier solcher Komponenten.

Ein bekannter Emulgator, der die Verbindung von Wasser und Öl zulässt, ist hingegen die Seife. Die Emulsion kann durch eine Besonderheit auf molekularer Ebene entstehen: Emulgatoren besitzen zwei Enden - ein Wasser abstoßendes Ende, das sich mit dem Öl verbindet, und ein hydrophiles Ende, das eine ionische Bindung mit dem Wasser eingeht.

Doch nur über den Zusatz anderer chemischer Substanzen wie etwa Säuren kann die stabilisierende Wirkung des Emulgators wieder aufgehoben werden, können Öl und Wasser wieder getrennt werden.

Emulgatoren kommen dabei insbesondere in der Waschmittel-, Lebensmittelindustrie und Kosmetikindustrie zum Einsatz.
->   Emulsion bei Wikipedia
Die günstigere Alternative
Die Frage, wie eine zeitlich begrenzte Emulsion wieder aufgehoben werden kann, ist bisher noch nicht zufrieden stellend beantwortet worden. Das ist "teuer und riskant", erklärt der Chemiker Jessop gegenüber der Fachzeitschrift "New Scientist".

Das könnte sich ändern: Die Wissenschaftler um Jessop entdeckten einen "Wechselschalter" bei Komponenten der Alkyl-Amidine. Diese bestehen an einem Ende aus einer langen Kette von Kohlenwasserstoffen, die sich mit dem Öl verbindet. Am anderen Ende sitzt eine Amidin-Gruppe - auch diese verbindet sich mit Öl. Amidine sind stickstoffhaltige Kohlensäurederivate.
An- und Ausschalten
Unter Kohlendioxid-Zufuhr verändert sich das Amidin-Ende: Es wandelt sich in ein Bikarbonat, welches hydrophil (also "wasserliebend") ist und sich daher mit H2O verbindet. Damit ergibt sich ein funktionierender Emulgator, der Wasser und Öl bei Raumtemperatur mischt.

Pumpt man Sauerstoff in die Emulsion, wird die Veränderung der Amidine wieder rückgängig gemacht. Allerdings muss die Emulsion dabei auf 65 Grad Celsius aufgeheizt werden. Unter diesen Bedingungen brachten die Wissenschaftler Öl und Wasser wieder auseinander.
Mögliche Anwendungsgebiete
Für den reversiblen Emulgator spricht den Forschern zufolge auch, dass er weder für die Umwelt schädlich, noch langlebig ist. Denn: Sauerstoff verwandelt die Substanz in die inaktive Form.

Mögliche Anwendungsgebiete sehen Jessop und seine Kollegen in unterschiedlichen Bereichen: Der Emulgator könnte den Ölfirmen erleichtern, an das schwarze Gold von derzeit noch nicht zugängigen Lagern zu kommen - so etwa im Fall von Ölsanden, wie sie in Venezuela und Alberta gefunden werden.

Der Brei aus Öl, Wasser und Stein sei schwer zu bearbeiten. Über den Einsatz des Emulgators könne Öl und Wasser gemischt werden und das Gemisch einfacher extrahiert werden. Über die Zufuhr von Sauerstoff könne dann leicht das Öl vom Wasser getrennt werden.

Der Emulgator könnte aber auch Prozesse in der Lebensmittel- und Kosmetikindustrie erleichtern sowie im Fall von umweltverschmutzenden Ölteppichen wertvolle Dienste leisten - auch wenn derzeit die Trennung bei 65 Grad Celsius zweifelsohne problematisch ist.

[science.ORF.at, 21.8.06]
->   Department of Chemistry, Queen's University
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01.01.2010