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Symposium: Bakterien Großmeister der Artenvielfalt  
  In Wien findet zur Zeit ein Symposium zum Thema "Mikrobielle Ökologie" statt. Tenor der Veranstaltung: Man beginnt erst langsam, das wahre Ausmaß bakterieller Vielfalt zu erkennen.  
Unterschätzte Winzlinge
Auch wenn bisher mit 6.000 Arten vergleichsweise wenig Bakterien bekannt und beschrieben sind, dürften die meist unsichtbaren Mikroben die umfangreichste Organismengruppe überhaupt sein. Erst mit der modernen Gentechnik sind Forscher nun in der Lage, die tatsächliche Zahl aller Bakterienarten abzuschätzen. Auch die globale Bedeutung der Bakterien bis hin zum Klima ist drastisch unterschätzt worden.

Die bisherigen Wissenslücken über Bakterien haben einen einfachen Grund. Mit einem Mikroskop ist eine Bestimmung der Arten nicht möglich, bis vor etwa zehn bis 15 Jahren blieb nur das Anlegen einer Kultur auf einem Nährboden als sichere Möglichkeit der Identifizierung. Nach ersten Analysen des Erbgutes (DNA) von Bakterien hat sich aber gezeigt, dass sich die überwiegende Mehrzahl der Bakterien gar nicht auf Nährböden vermehren lässt.
Weniger als ein Prozent kultivierbar
"Aus Meeresproben lassen sich 0,001 bis 0,1 Prozent der vorhandenen Bakterienzellen auf Kulturmedien vermehren, im Süßwasser sind es 0,25 Prozent", erklärte dazu Michael Wagner vom Department für Mikrobielle Ökologie der Uni Wien. Daher wundert es wenig, dass heute durch DNA-Analysen praktisch in jeder Probe, ob aus Boden, Süß- oder Meerwasser neue Bakterien-Arten entdeckt werden.

Auch Zoologen berichten ständig über neue Bakterien-Arten, die sie etwa als Symbionten von Insekten identifizieren. Praktisch jedes Insekt bringt ein neues Bakterium zum Vorschein. Ein Gramm Boden - etwa aus einem Blumentopf - beherbergt rund 100.000 Arten, der menschliche Darm 3.000 und die menschliche Mundschleimhaut rund 5.000 Bakterien-Spezies. Eine Tonne Ackerboden enthält mehr Mikrobenzellen als Sterne im Universum zu finden sind.
Biofilme: Leben in Gemeinschaft
Zudem setzte sich in den letzten Jahren die Ansicht durch, dass viele Mikroben nur in der Gemeinschaft - in so genannten Biofilmen - überleben können. Alleine gelassen, können die Mikroben beispielsweise ihre reinigende Aufgabe in einer Kläranlage nicht erledigen.

Staffan Kjelleberg von der University of New South Wales in Sidney (Australien) berichtete, dass auch krank machende Mikroben für die Infektion - etwa eines Menschen - den Schutz von Biofilmen brauchen. Ohne Teamwork können die gefährlichsten Bakterien keinen Schaden anrichten.

Umgekehrt bedeutet dies aber auch die Möglichkeit von neuen Bekämpfungsmaßnahmen. "In vielen Fällen brauchen wir im Kampf gegen pathogene Keime gar nicht die Bakterien selbst, sondern nur deren Netzwerke zu zerstören, um uns vor ihnen zu schützen", sagte Kjelleberg. Teilweise reicht es, etwa die Kommunikation zwischen den Zellen zu unterbrechen, schon können die Kolonien nicht mehr effektiv arbeiten und sterben ab.
->   Biofilm - Wikipedia
Lehren für Botanik und Ökologie
Die unglaubliche Vielfalt an Bakterien wird in Zukunft auch so manches Rätsel klären, etwa warum sich ein bestimmter Boden speziell für eine Pflanze eignet, ein benachbarter und scheinbar gleicher Boden dagegen gar nicht.

Auch unverhoffte Zusammenbrüche von Kläranlagen könnten mit der rasant zunehmenden Kenntnis der Bakterienfauna geklärt und sogar Gegenmaßnahmen getroffen werden, ist Wagner überzeugt.
Bakterien nutzen sogar Lichtenergie
Nicht zuletzt stecken in den Mikroorganismen aber auch jede Menge Überraschungen für die Technologen. Erst vor wenigen Jahren wurde ein neuer, über das Protein Rhodopsin laufender Mechanismus geklärt, mit denen Bakterien Licht direkt in chemische Energie verwandeln können, so Edward DeLong vom Massachusetts Institute of Technology (USA).

Der Forscher sieht aber auch Chancen, von den Bakterien neue Möglichkeiten zur Herstellung von Kunststoffen oder auch Medikamenten abschauen zu können. "Bakterien sind fast so alt wie die Erde selbst und ihre Methoden lange bewährt", so der Wissenschaftler.

[science.ORF.at/APA, 24.8.06]
->   11th International Symposium on Microbial Ecology
 
 
 
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01.01.2010