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Was macht die USA zur Nobelpreis-Großmacht?  
  Sämtliche naturwissenschaftlichen Nobelpreise gingen in diesem Jahr an US-Forscher. Auch im langjährigen Vergleich haben die USA die Nase klar vorne: Sie liegen mit insgesamt 228 Preisträgern seit 1901 mit großem Abstand vor Großbritannien (75) und Deutschland (65) an der Spitze. Was sind die Gründe dafür? Bessere Vernetzung und professionelleres Lobbying, meinen Experten - zumindest solche, die aus Europa kommen.  
Der Vizepräsident der Deutschen Forschungsgemeinschaft, Helmut Schwarz, meint etwa: "Es gibt auch in Japan und Europa erstklassige Forscher, die den Preis ebenso verdient hätten. Aber was bei uns fehlt, ist eine gebündelte Lobbyarbeit."
"Lautstarkes Anpreisen"
Universitäten und Forschungseinrichtungen in Deutschland müssten sich viel besser vernetzen und dann gemeinsam ihre Kandidaten vor den entsprechenden Gremien vertreten. "Da gibt's bei uns noch was nachzuholen", sagte Schwarz.

Das mangelnde Vermögen, sich selber lautstark und effizient anzupreisen, sei hier zu Lande möglicherweise auch eine Mentalitätsfrage. "In den USA gibt es da ganz andere Mechanismen."
Beispiel Stanford Medical School
Der deutsche Chemie-Nobelpreisträger von 1988, Robert Huber vom Max-Planck-Institut für Biochemie in Martinsried bei München, ergänzt: "Die Amerikaner verstehen es gut, ausgezeichnete Leute aus dem Ausland zu holen, die gute Arbeit machen."

Paradebeispiel erfolgreicher US-Forschung ist die Medical School der Stanford University in Kalifornien: Zwei der diesjährigen fünf Wissenschafts- Nobelpreisträger arbeiten dort. Die kleine, aber elitäre Mediziner- Hochburg liegt im Silicon Valley. Sie führt ihren Erfolg teils auf die Nähe zu industriellen Partnern, teils aber auch auf die enge Zusammenarbeit mit der benachbarten Technischen Universität von Stanford zurück.
Auslese und extreme Studiengebühren
Seit ihrer Gründung 1958 gelangen an der Medical School zahlreiche medizinische Durchbrüche. Hier wurde 1981 die weltweit erste erfolgreiche Herz- und Lungentransplantation durchgeführt, 2000 das erste vererbte Arthritis-Gen und 2001 eine neue Gruppe von Asthma- Genen entdeckt.

Stanfords Medical School beschäftigt 736 Professoren und wissenschaftliche Mitarbeiter, erhielt im vergangenen Jahr 245 Millionen Dollar aus der öffentlichen Hand und bittet ihre Studenten mit einer jährlichen Studiengebühr von rund 50.000 Dollar zur Kasse.

Dennoch erscheint diese Zukunftsinvestition sehr vielen lohnend: Von 5548 Studienplatz-Bewerbern wurden 2005 nur 86 angenommen - Auslese auch in dieser Hinsicht.
Forschungsausgaben im Vergleich
In den USA lag der Anteil für Forschungsausgaben zuletzt bei etwa 2,6 Prozent des Bruttoinlandsprodukts (BIP). In Deutschland sanken die Gesamtausgaben von Staat und Wirtschaft für Forschung und Entwicklung (F&E) von 2,52 Prozent (2003) auf 2,48 Prozent (2004) des BIP. In Österreich lagen die Ausgaben für F&E laut Statistik Austria im Jahr 2005 bei 2,35 Prozent, im heurigen Jahr werden es vermutlich 2,43 sein. Ursprüngliches Ziel der Regierung waren 2,5 Prozent.
"Beispiellose öffentliche Unterstützung"
Der frischgekürte Chemie-Nobelpreisträger Roger D. Kornberg erklärte den Erfolg der US-Forscher am Mittwoch so: "Das liegt an der beispiellosen öffentlichen Unterstützung für die Wissenschaft in den USA. Und an der Größe des Wissenschaftsbetriebs."

Der Chefredakteur des renommierten US-Fachjournals "Science", Donald Kennedy, sieht die Europäer und Asiaten jedoch in der Aufholjagd: "Einige Leute in den USA machen sich darüber inzwischen ernsthafte Sorgen - aber ich glaube, dass dies der Wissenschaft sehr gut tun wird", sagte er in einem "Spiegel"-Interview.

Andrea Barthélémy und Gisela Ostwald, dpa
science.ORF.at, 5.10.06
->   The Nobel Foundation
Die naturwissenschaftlichen Nobelpreise 2006:
->   Chemie-Nobelpreis 2006 für Transkriptions-Forschung
->   Physik-Nobelpreis 2006 für Forschungen zum "Urknall-Echo"
->   Medizin-Nobelpreis 2006 für Entdeckung der RNA-Interferenz
 
 
 
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01.01.2010