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Erddrehung bestimmte Schicksal der Nagetiere  
  Irgendwann stirbt jede Tierart aus. Und nicht selten liegen die Ursachen dafür bei kosmischen Ereignissen. Manchmal passiert es laut und gewaltsam - wie etwa am Ende der Kreidezeit, als die Dinosaurier ausstarben. Manchmal sind die Einflüsse auch subtiler: Das gilt beispielsweise für viele Nagetierarten, die während der letzten 24 Millionen Jahre von der Bildfläche verschwunden sind. Verantwortlich dafür dürften einer neuen Studie zufolge feine Schwankungen der Erdbewegung sein.  
Wie Forscher um Jan A. van Dam von der Universität Utrecht berichten, haben Änderungen von Orbit und Achsenneigung der Erde regelmäßig für eine globale Abkühlung gesorgt. Das brachte - ebenso regelmäßig - vielen Nagetieren den Tod.
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Die Studie "Long-period astronomical forcing of mammal turnover" von Jan A. van Dam et al. erschien in "Nature" (Bd. 443, S. 687; doi: 10.1038/nature05163).
->   Abstract
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Vielfalt im Säugerland
Wenn Paläontologen im Freiland arbeiten, dann buddeln sie meistens in alten Sedimenten, um Fossilien freizulegen. Auch wenn die versteinerten Urkunden nur einen unvollständigen Blick in die Vergangenheit erlauben, haben sie einen großen Vorteil: Man kann das Werden und Vergehen der Tier- und Pflanzenarten gewissermaßen aus der Vogelperspektive betrachten. Dann nämlich, wenn man nach bestimmten Mustern im fossil record Ausschau hält.

Während etwa ein Zoologe beim Stichwort "Säugetiere" zunächst an die typischen Eigenschaften dieser Tiergruppe denkt - Haare, Milchdrüsen, konstante Körpertemperatur etc. -, sind Säugetiere für den Paläontologen zunächst eine Tiergruppe, die sich außergewöhnlich schnell entwickelt hat: Das Artenspektrum der Säuger hat sich seit dem Aussterben der Dinosaurier extrem stark aufgefächert und an die verschiedensten Lebensbedingungen angepasst.

Man denke etwa an Fledermäuse, Nacktmulle oder Delphine - eigentlich kaum zu glauben, dass sie zu ein und derselben Tiergruppe gehören. Dieser rasanten Diversifikation entspricht eine relativ kurze Verweildauer einzelner Arten: Eine typische Säugetierart ist über Fossilien im Schnitt rund 2,5 Millionen Jahre nachweisbar - dann stirbt sie aus.
Muster des Aussterbens
Das Auf und Ab der Säugetierarten erfolgt allerdings nicht regellos, wie nun ein Team um Jan A. van Dam von der Universität Utrecht berichtet. Die Forscher untersuchten mehr als 80.000 Backenzähne von Nagetieren aus zentralspanischen Fundstellen, die zwischen 24,5 und 2,5 Millionen Jahre alt sind.

Anhand dieser Daten lässt sich ablesen, dass die Zahl der Nagetierarten in Spanien beständig schwankte, und zwar mit einer Periode von 2,4 bis 2,5 Millionen Jahren. Darüber hinaus ließ sich noch ein zweiter, kürzerer Zyklus aus den Verteilungsmustern destillieren, dessen Periode ca. eine Million Jahre betrug.
Ursachen: Astronomische Perioden
Damit freilich durften sich die Forscher um van Dam nicht zufrieden geben. Ursachenforschung war gefragt, daher wendeten sie ihren Blick vom Mausezahn zum Firmament. Und sie wurden fündig: Grund dafür dürften die unsteten Bewegungen sein, die die Erde bei der Umrundung der Sonne ausführt.

Wie bereits der Astronom und Mathematiker Milutin Milankovic (1879-1958) erkannte, eiert die Erde gewissermaßen um ihren Mutterstern, da sich die Neigung der Äquatorebene alle 41.000 Jahre um ein paar Grad verändert.

Auch der Orbit ist nicht konstant - er variiert im Zeitraum von 100.000 Jahren seine Exzentrizität, wie die Astronomen sagen: mal ist er eher ellipsoid, mal eher kreisförmig.
->   Milankovic-Zyklen - Wikipedia
Zyklen der Zyklen
Im Jahr 2004 fanden französische Astronomen zudem heraus, dass die Milankovic-Zyklen ihrerseits langfristigen Veränderungen unterworfen sind (Astronomy & Astrophysics 428, 261).

Und genau hier hakten die Paläontologen um van Dam ein: Sie wiesen nach, dass die Perioden im Fossilbestand mit zwei kosmischen Ereignissen zusammenfallen. Zum einen erreicht die Exzentrizität der Erdumlaufbahn alle 2,37 Millionen Jahre einen Tiefststand, d.h. sie ist der idealen Kreiform dann besonders ähnlich.

Zum anderen gibt es im Schwankungsverlauf der Erdachse Phasen, die besonders geringe Unregelmäßigkeiten aufweisen. Diese Phasen kehren alle ein bis 1,4 Millionen Jahre wieder.
Das Klima war schuld
Numerisch passte die Entsprechung also recht gut, fehlte noch das verbindende Glied zwischen Tierreich und Astronomie. Das fanden die Paläontologen im Klima: Beide astronomischen Zyklen wurden regelmäßig von globaler Abkühlung, einem Anwachsen der Eisschilde und einer Änderung der Niederschläge begleitet.

Und genau diese Ereignisse dürften für das rhythmische Aussterben der Nagetiere auf der iberischen Halbinsel verantwortlich sein, folgern van Dam und Mitarbeiter.

Offen ist indes, ob damit auch das Aufblühen und Vergehen anderer Säugetiergruppen erklärt werden kann. Zu erwarten wäre es jedenfalls.

Robert Czepel, science.ORF.at, 12.10.06
->   Universiteit Utrecht
->   Extinction - Wikipedia
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01.01.2010