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Studie: Wie Porno-Texte Frauen konstruieren  
  Reduzieren pornografische Texte Frauen auf die Rolle willenloser und passiver Objekte? Zum größten Teil ja, meint ein Grazer Anglist. Er hat über 500 aktuelle englischsprachige Porno- und Erotikgeschichten empirisch untersucht und miteinander verglichen.  
Ganz ohne Subjektivität der weiblichen Figuren in den Texten geht es aber auch nicht, meint Georg Marko, Anglist an der Universität Graz.
Unterscheidung: Erotika ...
Ausgangspunkt des ungewöhnlichen Forschungsgegenstands, den Marko für seine Dissertation gewählt hat, war eine prinzipielle Unterscheidung von pornografischen und erotischen Texten.

Als "Erotika" bezeichnet er gegenüber science.ORF.at "sexuelle Repräsentationen in Geschichten, die in einem gesellschaftlich akzeptierten Format - als in einer normalen Buchhandlung erhältliches Buch - erscheinen." Viele dieser Geschichten seien ausdrücklich für Frauen geschrieben, die Texte deutlich länger und sie hätten mehr Tiefe als pornografische.
... und Pornografie
Die 68 von Marko untersuchten Erotik-Kurzgeschichten stammen aus aktuellen Anthologien, die klingende Titel wie "Fever" oder "Pleasure" tragen. Die vorkommenden Charaktere würden deutlich entwickelt, die sexuellen Handlungen seien "nachvollziehbar motiviert".

Im Gegensatz dazu stünden Porno-Texte, die viel kürzer sind und oft aus nur 1.000 Wörtern bestehen. Bei Geschichten aus Magazinen wie "Wild & Nasty" und "Vibrations", die "Desktop Orgy", "Pussy Guard" oder "Cum with us" heißen, ist meist schon der Titel Programm.
Korpusanalyse von 500 Texten
Georg Marko kennt sich nach mehrjähriger Beschäftigung mit beiden Textarten nun sehr gut aus. Eigenhändig hat er über 500 Texte mit geschätzten 900.000 Wörtern in eine Computer-Datenbank eingegeben, sowohl erotische als auch pornografische.

Eine spezielle Software hat dann eine so genannte Korpusanalyse durchgeführt. Mit diesem in der Sprachwissenschaft sehr üblichen Verfahren lassen sich u.a. die Zusammenhänge bestimmter Sprachelemente - Wörter, grammatikalischer Konstruktionen oder anderes - untersuchen.
519 Umschreibungen von Geschlechtsorganen
Nebst anderem hat Marko damit eine beeindruckende Anzahl von Umschreibungen für die menschlichen Geschlechtsorgane gefunden: 519 sind es insgesamt.

Dabei ging es nicht um linguistische Rekordjagd, sondern um die Überprüfung einer These. Ausgangspunkt von Markos Dissertation waren nämlich feministische Annahmen, denen zufolge Pornografie Frauen auf die Rolle passiver und geistloser Objekte reduziere und damit einen Grundstein für diskriminierende Verhaltensweisen lege.
Fragmentierung des menschlichen Körpers
Diese Reduktion kann verschiedene Erscheinungsformen haben. Zwei davon hat Marko u.a. untersucht: die Fragmentierung des menschlichen Körpers - die Gleichsetzung von bestimmten Körperteilen mit dem gesamten Körper - und die Darstellung von Menschen ohne eigene innere Wahrnehmungen und Perspektiven.

Die Fragmentierung des Körpers hat Marko mit seinen 519 Umschreibungen der Geschlechtsorgane zweifelsfrei beweisen können, er hält sie für "ein Schlüsselelement der Pornografie".
Frauen-Metaphern: Tiere, Geheimnisse, Geographie
Bezeichnend für die Unterschiede zwischen Männern und Frauen ist auch die Art und Weise, wie ihre Geschlechtsorgane bezeichnet werden. Marko hat dazu rund 20 Kategorien gebildet.

So werden weibliche Genitalien u.a. viel stärker mit Metaphern aus dem Tierreich ("pussy", "nest", "beaver bulge"), von Wertgegenständen ("jewels", "love pearl", "sex purse"), Geheimnissen ("hidden depths", "magical button", "intimate orifices") und der Geographie ("mound", "cave", "grand canyon") bedacht als männliche Geschlechtsorgane.
Männer: Qualitäten, Werkzeuge, Waffen
Diese wiederum werden viel öfter als Nahrungsmittel umschrieben ("meat", "sausage", "banana"), als abstrakte Qualität ("hard-on", "length", "stiffness") und - besonders häufig - als Werkzeuge.

Besonders beliebte Metaphern stammen dabei aus dem Waffenarsenal und reichen von "shaft" über "love rocket" bis zur "cum-gun".

Aber auch das zivile Werkzeug wird gerne für das männliche Genital verwendet: "pump", "aristocratic sceptre" und "male apparatus" findet sich im Wortschatz der pornografischen Schriftsteller.
Objektivierende Sprache der Pornos
Dass Frauen durch Pornographie objektiviert werden, konnte Marko in dieser Hinsicht sowohl quantitativ als auch qualitativ beweisen.

Quantitativ, weil es mit 310 Umschreibungen für weibliche Genitalien weit mehr gibt als für männliche, die es "nur" auf 209 brachten.

Und qualitativ, weil sich diese Umschreibungen bei den Frauen meistens auf eine passiv angenommene "Natur" oder zu "füllende" leere Räume beziehen, während bei Männern aktiv-konnotierte Gegenstände wie Waffen oder Werkzeug im Vordergrund stehen.
Frauen nicht nur passiv
Gänzlich passiv werden die Frauen aber auch in den pornografischen Texten nicht dargstellt, betont Marko. Ihnen werden von den Autoren durchaus innere Wahrnehmungen und Perspektiven zugebilligt.

Allerdings drückten diese keine eigenständigen weiblichen Positionen aus, sondern dienten der Selbstbestätigung der männlichen Erwartungen.

Pornografische Texte seien in Summe zielgerichteter als erotische und würden zu einem "one-handed-reading" von Männern einladen. Dies wird nicht selten von den Zeitschriften selber so angepriesen, berichtet Marko. Er selbst habe übrigens kein Faible für diese Textgattung entwickelt, wie er heute resümiert.

Lukas Wieselberg, science.ORF.at, 20.10.06
->   Georg Marko, Universität Graz
 
 
 
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01.01.2010