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Proteomik: Neue Methode von Wiener Forschern  
  Nach dem Genomik-Boom versuchen Molekularbiologen nun auch die Gesamtheit der Proteine in der lebenden Zelle zu erfassen. Wiener Forscher haben dafür nun eine neue Technik entwickelt.  
Mit der Methode kann man in Säugetierzellen nach Proteinen-Komplexen suchen - und zwar mit einer hohen Ausbeute, wie man sie bisher nur in Hefezellen erreicht hat. Das berichtet ein Team um Giulio Superti-Furga vom Zentrum für molekulare Medizin der Österreichischen Akademie der Wissenschaften (CeMM) in Wien.
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"An efficient tandem affinity purification procedure for interaction proteomics in mammalian cells" von Tilmann Bürckstümmer et al. erscheint demnächst auf der Website von "Nature Methods" (doi: 10.1038/NMETH968).
->   Nature Methods
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Die Zelle als Fabrik
Die Bedeutung der neuen Erkenntnisse erklärte Tilmann Bürckstümmer, einer der Autoren, so: "Proteine sind die wichtigsten Bestandteile einer Zelle. Das Zusammenspiel der Proteine in der Zelle kann man mit dem Zusammenspiel von Arbeitern in einer Fabrik vergleichen: Eine Fabrik hat viele Arbeiter, aber die wenigsten Funktionen innerhalb der Fabrik können von einem Beschäftigten allein bewerkstelligt werden."

"Vielmehr ist es so, dass die meisten Prozesse mehrere Arbeiter erfordern, die unterschiedlich spezialisiert sind. Um die Organisation der Fabrik zu verstehen, ist es daher von größter Bedeutung herauszufinden, welcher Agierende welche Partner hat. Unsere Methode erlaubt es nun zu erforschen, welche Proteine mit anderen Proteinen Arbeitsgruppen bilden", so Bürckstümmer.
Standard-Methode erweitert
Superti-Furga gegenüber der APA: "Bei der Isolierung von Protein-Komplexen aus Zellen für die weitere Untersuchung wird seit Jahren die so genannte Tandem Affinitäts-Reinigung (Tandem Affinity Purification - TAP, Anm.) verwendet. Damit konnte man bis 2002 schon die Hälfte aller in Hefezellen vorkommenden Eiweiße isolieren. Das ist die am meisten zitierte wissenschaftliche Arbeit auf diesem Gebiet." In diesem Jahr wurde die zweite Hälfte des Projekts publiziert.

Doch bei Säugetierzellen ist TAP bei weitem nicht so gut anwendbar wie bei der Hefe. Zum Verständnis der Funktion der verschiedenen Proteine und ihrer Interaktionen sollte man aber genau so nach diesen Komplexen "fischen" können. Prinzipiell funktioniert TAP, indem die Wissenschafter die Protein-Komplexe mit eigens konstruierten Fähnchen (Tags) versehen und diese dann per Massenspektrometrie charakterisieren.
Höhere Ausbeute dank neuer "Fähnchen"
Superti-Furga: "Wir haben neue 'Fähnchen' für die Verwendung bei der Isolierung von Protein-Komplexen in Säugetierzellen entwickelt und getestet." Diese Tags bestehen Bruchstücken von Immunglobulin G-Antikörpern und einem (Streptavidin-)Bindungsprotein. Die beiden Bestandteile sind durch eine Schnittstelle getrennt, an der ein Protein-Abbauendes Enzym (Protease) eines Tabak-Virus (TEV) angreift.

Der Wissenschafter: "Mit unseren 'Fähnchen' ist die Ausbeute an Protein-Komplexen aus Säugetierzellen zur weiteren Untersuchung zehn Mal höher als mit jenen für die Hefezellen. Wir haben damit eine Durchbruch geschafft und könnten ganze Signalwege in den Zellen charakterisieren."

"Das könnte die Basis für die Charakterisierung des gesamten Protein-Inhalts auch der menschlichen Zelle sein. Wir fangen an, dafür Sponsoren zu suchen, da es ein außerordentliches Projekt ist, das jenseits unseres Budgets und ursprünglichen Plans ist. Wir könnten die Ergebnisse auch schon binnen drei bis vier Jahren durch die Arbeit eines internationalen Teams erhalten."

Die CEMM-Wissenschafter wollen darüber hinaus das Verfahren verwenden, um neue Bindungspartner von Proteinen zu finden, die eine Rolle in unterschiedlichen Krankheitsprozessen spielen. Dabei liegt der Fokus vor allem auf Blutkrebs und Erkrankungen des Immunsystems.

[science.ORF.at/APA, 23.10.06]
->   Proteomik - Wikipedia
->   CeMM
 
 
 
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01.01.2010