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Verblassendes Blau: Austro-Chemiker klärt "Ultramarin-Krankheit"  
  Museen und Restauratoren kämpfen weltweit mit dem Verblassen von Ultramarin-Blau auf Gemälden und Fresken. Der an der New York University (NYU) tätige österreichische Chemiker Alexej Jerschow konnte nun gemeinsam mit Kollegen vom Pratt Institute erstmals die Mechanismen klären, die zum Nachlassen dieses Farbtons führen und liefert damit Ansätze, wie Kunstwerke vor dieser "Ultramarin-Krankheit" geschützt werden können, teilte die NYU in einer Aussendung mit.  
Jahrhunderte lang äußerst seltenes Farbpigment
Das natürliche Ultramarin-Blau ist ein Farbpigment, das aus dem Halbedelstein Lapislazuli hergestellt wird und war seit dem späten 13. Jahrhundert einer der wertvollsten Farbstoffe.

In guter Qualität wird Lapislazuli weltweit nur an einem einzigen Ort, in den Steinbrüchen von Badakhshan im Nordosten Afghanistans, gefunden.

Kein Wunder also, dass der Farbstoff früher teurer als Gold gehandelt wurde. Erst im 19. Jahrhundert gelang die Herstellung von synthetischem Ultramarin.
Bald auch "Jüngstes Gericht" von Michelangelo betroffen?
 
Bild: EPA

Das Verblassen von Ultramarin sei sowohl an Gemälden, etwa an der National Gallery in London, als auch an Fresken wie der Basilika von Assisi beobachtet worden, so Eleonora Del Federico vom Pratt Institute.

Auch Michelangelo hat nach Angaben der Experten für seine berühmten Fresken in der Sixtinischen Kapelle Ultramarin verwendet, etwa für den Himmel beim "Jüngsten Gericht" (siehe Bild).

Auf Grund einer speziellen Fresko-Technik ("secco") kam es in der "Sixtina" bisher zu keinen Veränderungen des blauen Farbtons, doch Del Federico befürchtet, dass die von den Besuchermassen verursachte hohe Luftfeuchtigkeit zu einem Verbleichen des Ultramarin führen könnten.
Eingelagerte Schwefel-Moleküle oxidieren
Ultramarin-Pigmente bestehen aus Molekülen, die u.a. aus Aluminium- und Silizium-Atomen aufgebaut sind. Die intensive blaue Farbe entsteht dabei durch Schwefel, der in diesen Molekülen eingeschlossen ist.

Mit Hilfe der Kernresonanzspektroskopie (NMR) konnten Jerschow und sein Team zeigen, dass bei verblassenden Pigmenten der schützende Aluminium- und Silizium-Käfig aufgebrochen ist und die eingelagerten Schwefel-Moleküle oxidiert werden.

"Dabei entstehen Schwefel-Verbindungen oder Sulfate, die entweder farblos oder leicht gelblich sind", erklärte Jerschow. Das Verständnis für diese Vorgänge sollte die Entwicklung entsprechender Konservierungstechniken möglich machen, ist der Chemiker überzeugt.
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Kooperation von Wissenschaft und Kunst
Die Arbeit über Ultramarin ist Teil einer größeren Kooperation zwischen Wissenschaften der NYU, des Pratt Institute und des Metropolitan Museum of Arts. Die Forscher suchen derzeit u.a. die Ursachen für das Abschuppen von Blei-Weiß in illustrierten Handschriften und die Bildung von Blei-Fettsäure-Salzen auf Ölgemälden.
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Rückkehr nach Österreich "im Moment nicht möglich"
Jerschow, 1971 in Moskau als Sohn einer Österreicherin und eines Russen geboren, ist in Linz aufgewachsen. An der Universität Linz hat er sein Chemie-Studium und Doktorat absolviert und dabei auch die NMR-Methodik bei Norbert Müller gelernt.

Dazwischen war er ein Jahr in Trondheim (Norwegen), anschließend als Postdoc zwei Jahre an der Universite de Lausanne (Schweiz) und als Erwin Schrödinger-Stipendiat weitere zwei Jahre an der University of California in Berkeley.

Seit 2001 ist Jerschow als Assistant Professor an der New York University tätig. Eine Rückkehr nach Österreich würde Jerschow als "sehr schön" ansehen, eine solche Option erscheint ihm aber "im Moment wegen der schwierigen personellen und finanziellen Situation an den österreichischen Universitäten nicht möglich".

[science.ORF.at/APA, 27.10.06]
->   Alexej Jerschow, NYU
->   Ultramarin (Wikipedia)
 
 
 
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01.01.2010