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Oper war für Aufklärung bedeutsam  
  Eine Tagung in Wien widmet sich am Donnerstag dem Beitrag, den die Oper für die europäische Aufklärung geleistet hat. Die Vernunft wurde von Künstlern wie Mozart ins Opernhaus gebracht, die sich ihrer Teilhabe an der inszenierten Adelsgesellschaft bewusst waren, meint Herbert Lachmayer, Vorstand des Da Ponte Instituts in Wien, in einem Gastbeitrag. Ihre Musik habe dazu beigetragen, dass sich moderne Emotionalität und vor allem Individualität entwickelt hat.  
Erfindung von Individualitäten

Von Herbert Lachmayer

Die Oper im 18. Jahrhundert war eine "Inszenierung einer inszenierten Gesellschaft", immer aktuell, wenn man bedenkt, dass die Opern im Repertoire der Mozartzeit kaum älter als drei bis fünf Jahre waren.

Als Kernstück höfischer Inszenierung impliziert die Oper immer auch eine Positionierung des Fürsten, der sich als Herrscherfigur auf der Bühne entweder "selbst" zusieht oder der sich durch die Konstellation des Stücks als fürstliches Publikum per se angesprochen fühlen muss: wie etwa Joseph II., der sich im theatralischen Raum nicht unmittelbar als Herrscherfigur, sondern indirekt in seiner "josephinischen Gesellschaft" beobachtet.
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Veranstaltungshinweis
Am 2. November findet am Internationalen Forschungszentrum Kulturwissenschaften (IFK) in Wien in Kooperation mit dem Da Ponte Institut die Tagung "Die Vernunft im Opernhaus. Oper und Aufklärung im 18. Jahrhundert" statt.
Ort: IFK, Reichsratsstraße 17, 1010 Wien
Zeit: 2. November, 9-19 Uhr
->   IFK
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Künstler suchten "Augenhöhe" der Fürsten
Im Absolutismus begegnen sich Librettist und Herrscher an einer gleichsam tabuisierten Schnittstelle, an welcher der Dichter die politische Allmacht des absolutistischen Fürsten phantasierend teilen kann und muss, um aus der notwendig einzunehmenden "Vogelperspektive" auf das höfisches Geschehen eine Oper schreiben zu können.

Für nicht-aristokratische "Künstler" wie Da Ponte und Mozart bestand die große Herausforderung der Karriere darin, sich souverän in Augenhöhe zur Fürstlichkeit zu positionieren, nie Lakai sein. Darin findet Verwegenheit in Vielschichtigkeit wie Raffinesse ihren Ausdruck.
Librettoschreiben als Übung für Objektivität
Da Ponte und Mozart nutzten ihre Chance einer "produktiven Dekadenz", die ihnen das Début des siècles des ausgehenden 18. Jahrhunderts bot, optimal wie exzessiv erschöpfend.

So manche inkarnierte Absolutisten wie Friedrich II. von Preußen oder die Zarin Katharina von Russland haben sich selbst am Librettoschreiben versucht - wohl auch deswegen, um selbst den Blick des Librettisten auf ihre eigene reale politische Machtposition werfen zu können.
Erfindung von Individualitäten
Darin manifestiert sich auch eine Individualisierungstendenz von aufgeklärten Fürstlichkeiten in jenem Jahrhundert, in welcher der moderne Individualismus entwickelt wurde.

Auch Mozart und Da Ponte waren "Erfinder von Individualitäten", wenn man an ihre großen Opernfiguren denkt, welche weder die Bühnen der Opernhäuser noch die unserer "möblierten Psyche" je wieder verlassen haben.

In Mozarts Musik materialisieren sich die Affekt-Modulationen, welche im ausgehenden 18. Jahrhundert auch bei Mozart jene experimentelle "ingenuity" geweckt haben mögen, die zur Kreation der modernen Emotionalität führte. Mozarts Musik verführt uns zu den uns je eigenen Freiheitsgefühlen.
Mozart kein Romantiker
In dieser künstlerisch-feudalen Arbeitswelt einer durch und durch inszenierten Adelsgesellschaft war Mozart jedenfalls eines nicht: ein "romantisches Künstlergenie".

Warum? Das romantische Künstlergenie produziert aus "professionalisierter Leidensinnerlichkeit" heraus sein Werk als "künstlerische Gegenwelt".

Mozart hingegen war ein hermetischer Kosmos aus produktiven Parallelwelten - aber als künstlerischer Symbolproduzent für den Hof blieb er stets Teil einer feudalen Gesamtinszenierung, zu der er, wenn auch subversiv, immer gehört hat.

[31.10.06]
->   Da Ponte Institut
 
 
 
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01.01.2010