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Mikro-Spiegel für Quanteneffekte sichtbarer Objekte  
  Damit Quantenphänomene nicht nur bei Lichtteilchen oder Atomen beobachtet werden können, sondern auch bei größeren Objekten, brauchen Physiker vor allem eines: extrem niedrige Temperaturen. Eine neue Methode zur Kühlung winziger Spiegel mit Hilfe von Laserlicht haben nun Quantenphysiker um Anton Zeilinger vorgestellt. Damit könnten Quanteneffekte einmal auch bei sichtbaren Objekten beobachtet werden.  
Mit ihrer Kühlmethode hat sich die Gruppe um Zeilinger und Markus Aspelmeyer vom Institut für Quantenoptik und Quanteninformation (IQOQI) bis auf rund zehn Grad dem absoluten Nullpunkt von minus 273,15 Grad Celsius (zehn Kelvin) genähert.

Das "Kälte-Duell" mit US-Kollegen haben sie allerdings verloren. Dustin Kleckner von der University of California und sein Team erreichten eine Temperatur von nur 135 Millikelvin.
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Die Studie von Zeilingers Team ist unter dem Titel "Self-cooling of a micromirror by radiation pressure" (Bd. 444, S. 67, Ausgabe vom 2.11.06) in "Nature" erschienen.
->   Abstract in Nature
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Je langsamer Schwingungen umso kälter
Seit Jahren werden Laser erfolgreich zum Abkühlen von wenigen Atomen oder kleinen Atomwolken verwendet.

Dabei wird der Bewegung der Atome - die ja ihrer Temperatur entspricht - durch Lichtdruck entgegengewirkt, so dass diese immer langsamer - und damit kälter - werden, bis nahezu der absolute Nullpunkt erreicht ist.

Dieses Prinzip haben die Wissenschaftler nun so adaptiert, dass es auch für größere Objekte - in den konkreten Fällen winzige Spiegel - anwendbar ist.
0,5-Millimeter-große Spiegel hergestellt
 
Bild: IQOQI

Einer der Mikrospiegel, aufgenommen mit einem Elektronenmikroskop.

Voraussetzung für die Experimente war es, mikroskopisch kleine Spiegel in höchster Qualität herstellen zu können, sagte Markus Aspelmeyer vom Institut für Experimentalphysik der Universität Wien. Dazu haben die Wiener Physiker mit Kollegen der Uni Linz (Dieter Bäuerle) und der Cornell University, New York (Keith Schwab) zusammengearbeitet.

Das Ergebnis waren Spiegel in einer Größe von 100 mal 500 Mikrometer (ein halber Millimeter) und einer Dicke von drei Mikrometern, die nur 400 Nanogramm (Milliardstel Gramm) schwer sind, 99,6 Prozent des einfallenden Lichtes reflektieren und sehr hohe mechanische Qualität (also geringe Eigendämpfung bei Schwingung) aufweisen.
Ausgeklügeltes Kühlsystem ...
Die winzigen Spiegel sind so befestigt, dass sie - wie eine Gitarrensaite - frei schwingen können. Dadurch genügen schon einzelne Photonen, um sie beeinflussen und damit kühlen zu können.

Dies passiert ähnlich einem federnden Sprungbrett im Schwimmbad, das man durch geschicktes Gegenfedern zur Ruhe bringen kann.

Bewegt sich der Spiegel bei einer Schwingung auf die Lichtquelle (ein Laser) zu, werden mehr Photonen ausgesendet, um ihn zu bremsen, bewegt er sich von ihr weg, gibt es weniger Photonen, um ihn nicht zusätzlich noch zu beschleunigen.
... bis minus 263 Grad Celsius
Durch ein ausgeklügeltes System mit einem zweiten Spiegel wird ein optischer Resonator gebildet, der den Druck der Photonen automatisch regelt, die Kühlung funktioniert völlig selbstständig.

Mit diesem System ist es dem Team von Aspelmeyer und Zeilinger gelungen, den Spiegel von Raumtemperatur auf rund zehn Kelvin (etwa minus 263 Grad Celsius) abzukühlen.
Idente und andere Kühlweisen entwickelt
In "Nature" stellten zwei weitere Forscher-Gruppen solche Spiegel-Kühlsysteme vor: Unabhängig von der Wiener Gruppe hat der französische Physiker Pierre-Francois Cohadon von der Universite Pierre et Marie Curie in Paris ein völlig gleichartiges System wie jenes der Wiener Forscher entwickelt.

Und eine Gruppe um Dustin Kleckner von der University of California konnte mit ihrer Kühlmethode, bei welcher der Photonenfluss entsprechend der Schwingungen des Spiegels aktiv gesteuert wurde, eine Temperatur von nur 135 Millikelvin erreichen.
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Die Studie "Sub-kelvin optical cooling of a micromechanical resonator" (Bd. 444, S. 75, Ausgabe vom 2.11.06) von Dustin Kleckner ist in "Nature" erschienen.
->   Abstract in Nature
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US-Physiker noch kälter
Aspelmeyer führt den Erfolg der US-Kollegen vor allem auf die bessere Qualität von deren Spiegel zurück. "Wir haben die zehn Kelvin in unserem ersten Versuch erreicht, mit noch nicht optimierten Spiegeln", sagte der Physiker.

Deshalb soll in der nächsten Zeit vor allem an der Verbesserung der mechanischen Güte und der Reflexion der Spiegel gearbeitet werden.
Quanteneffekte auf sichtbarer Ebene noch ungewiss
Erwartet werden Quanteneffekte bei makroskopischen Objekten wie den derzeit verwendeten Spiegel laut Aspelmeyer bei einer Temperatur zwischen zehn Mikro- bis zehn Millikelvin.

Die Frage, wann man so weit sein werde, kann und will der Physiker nicht beantworten. Eines ist jedenfalls klar: Sollte es den Wissenschaftlern gelingen, Quantenphänomene auch an solch sichtbaren Objekten nachzuweisen, wird der gesunde Hausverstand auf eine harte Probe gestellt werden.

Schließlich wird man dann beispielsweise nicht mehr exakt Ort und Impuls eines solchen Spiegels angeben können - eigentlich unvorstellbar für ein sichtbares Objekt.

[science.ORF.at/APA, 2.11.06]
->   Institut für Quantenoptik und Quanteninformation (ÖAW)
->   Zeilingers Arbeitsgruppe (Uni Wien)
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01.01.2010