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Plagiate: Problembewusstsein wächst  
  "Nicht alles ist gleich ein Plagiat." Der Vorsitzende der ÖH Salzburg fordert eine stärkere Differenzierung zwischen absichtlichem Abschreiben und einem schlampigen Umgang mit Zitierregeln.  
Das Problembewusstsein bei den Studierenden wachse, es bestehe aber auch eine große Unsicherheit, sagte Christoph Eder bei einer Diskussionsveranstaltung zum Thema "Die Plage mit den Plagiaten" an der Universität Salzburg.
Gegen "Generalverdacht"
Deshalb müsste man die Frage stellen, ob die Grundlagen des wissenschaftlichen Arbeitens und die Zitierregeln auch ausreichend in der Ausbildung der Studierenden vermittelt würden. Eder wehrte sich gegen einen "Generalverdacht" gegenüber den Studierenden.
"Konkurrenzdruck und Zeitmangel"
Ein Lehr-Lern-Verhältnis brauche gegenseitiges Vertrauen, betonte Elisabeth Klaus, Leiterin des Fachbereichs Kommunikationswissenschaft an der Universität Salzburg.

Sie sieht die Ursache für die wachsende Versuchung, aus dem Internet und anderen Quellen abzuschreiben und nicht ordnungsgemäß zu zitieren, nicht nur darin, dass es durch moderne Technik einfacher geworden sei, Texte zu kopieren.

Auch der Konkurrenzdruck zwischen den Studierenden, Zeitmangel und die Bedingungen an Massenunis förderten solche Formen des wissenschaftlichen Fehlverhaltens. Es gebe eine große Grauzone zwischen dem Versuch, sich einen Titel durch ein Plagiat zu erschleichen, und Mängeln im wissenschaftlichen Arbeiten, die sich ja auch in schlechteren Noten ausdrückten, meinte Klaus.
Enger Kontakt verhindert Plagiate
Für Urs Baumann, den Dekan der Naturwissenschaftlichen Fakultät, gehört der Umgang mit Plagiaten zum Qualitätsmanagement im Bereich der Lehre. Je enger der Kontakt zwischen den Lehrenden und den Studierenden, desto geringer sei die Gefahr von Plagiaten.

Grundsätzlich wisse man nicht, ob die Zahl der Plagiate zu- oder abgenommen habe, betonte Baumann. Abschreiben sei ein seit Jahrhunderten bekanntes Phänomen, das nun durch das Internet leichter identifizierbar geworden wäre.
Aufklärung und Kontroll-Software
Plagiate seien ein Problem, mit dem alle Bildungseinrichtungen konfrontiert wären, erklärte Rudolf Mosler, Vizerektor für Lehre an der Universität Salzburg. Es gehe vor allem darum, Aufklärungsarbeit bei Lehrenden und Studierenden zu leisten.

Die Universität habe ein Bündel von Maßnahmen geschnürt, um mit dem Problem umzugehen. Es gebe Lehrveranstaltungen, die den Studierenden das wissenschaftliche Arbeiten vermitteln. Die Universität habe Richtlinien für eine gute wissenschaftliche Praxis erarbeitet und eine Software zur Identifizierung von Plagiaten angeschafft.

Bei konkreten Vorwürfen gebe es umfassende Untersuchungen. In einem Fall habe ein Plagiat zur Aberkennung eines Titels geführt, sagte Mosler.
"Tod des Einzelautors prognostiziert"
"Die Lage ist nicht so dramatisch, wie in den Medien dargestellt", betonte Gerhard Fröhlich, Wissenschaftsforscher an der Universität Linz. Aus wissenschaftlicher Sicht sei alles, was man ohne Nennung des Urhebers übernehme, ein Plagiat. Wesentlich problematischer als das "Übernehmen von Texten" seien aber andere Phänomene: Wer genug Geld habe, könne sich Diplom- oder Doktorarbeiten bei Fremdautoren kaufen.

Bei Auftragsforschung gebe es Fälle, in denen Auftraggeber das gesamte Studiendesign mache, der Wissenschaftler nur seinen Namen zur Verfügung stelle. Für Fröhlich wird eine Entwicklung in den Wissenschaften dazu führen, dass sich das Problem mit den Plagiaten von selbst erledigen könnte:

"Alle Prognosen sagen den Tod des Einzelautors voraus. Forschung wird immer mehr zur Teamarbeit." Die Einzelleistung werde bei Arbeiten, an denen 200 Leute mitmachen, immer weniger messbar, sagte Fröhlich.

[science.ORF.at/APA, 8.11.06]
 
 
 
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01.01.2010