News
Neues aus der Welt der Wissenschaft
 
ORF ON Science :  News :  Medizin und Gesundheit 
 
Kühlung lässt Herzstillstand-Patienten überleben  
  Herzstillstand-Patienten könnten durch eine Wiener Erfindung in Zukunft eine bessere Chance auf Überleben haben: durch eine schon am Einsatzort eingeleitete Abkühlung der Körpertemperatur auf 33 Grad.  
Ein entsprechendes System wurde von einem Wiener Start-up-Unternehmen so weit entwickelt, dass die Machbarkeit des Prinzips jetzt im täglichen Einsatz erprobt werden kann.
600 Patienten jährlich in Wien
"Wir haben es in Wien pro Jahr mit rund 600 Patienten zu tun, die einen plötzlichen Herzstillstand erleiden. Davon können wird derzeit rund zehn Prozent retten", sagte Reinhard Malzer, Medizinisch-Wissenschaftlicher Leiter des Ausbildungszentrums der Wiener Rettung.

Doch während des Herzstillstandes beginnen fatale Schädigungsprozesse von Gehirn und Organen, die auch nach erfolgreicher Wiederbelebung fortschreiten. Der Grund dafür sind so genannte Reperfusionsschäden.

Unter anderem wird durch die Wiederherstellung der Kreislauf-Funktion und damit der Sauerstoffversorgung der Körper - und somit auch das Gehirn - plötzlich von Sauerstoff-Radikalen überschwemmt, welche die Organe schädigen können. In Sachen Gehirn kann das bleibende Defizite bedeuten.
24 Stunden bei 33 Grad Celsius
Der Experte: "Um das zu verhindern, empfehlen internationale Richtlinien, nach erfolgreicher Reanimation den Patienten möglichst rasch abzukühlen. Die ideale Körpertemperatur dafür ist 33 Grad Celsius, der Zeitraum der Kühlung beträgt derzeit rund 24 Stunden."

Unter diesen Bedingungen kommt es zu einer starken Reduktion der Stoffwechselvorgänge. Das verhindert auch diese gefürchteten Reperfusionsschäden.
Studien bewiesen Erfolg von Hypothermie-Behandlung
Malzer: "In wissenschaftlichen Untersuchungen mit einer solchen Hypothermie-Behandlung im Spital wurde gezeigt, dass man die Überlebensrate der Patienten ohne neurologische Folgeschäden fast verdoppeln könnte."

Die Frage ist nur, wann und mit welchem System man geeignete Patienten auf die gewünschte Temperatur bringt. Hier gibt es aufwendige Verfahren, bei denen zum Beispiel kalte Flüssigkeit in einem dicken Katheter das Blut wie ein umgekehrter Tauchsieder abkühlt. Das ist aber nur im Spital machbar und eher kompliziert.
Neue Technik, neues Unternehmen
Der Techniker Rudolf Faworka konzipierte daher in Zusammenarbeit mit Ärzten von der Universitätsklinik für Notfallmedizin Wien auf der Basis von Anregungen des aus Wien stammenden Erfinders der modernen Wiederbelebungsmaßnahmen, Peter Safar, mit dem dafür neue gegründeten Unternehmen EMCOOLS Emergency Medical Systems AG ein einfaches neues System zur Kühlung von Notfallpatienten.

EMCOOLS-Vorstand Friedrich Vogel: "Das System besteht aus Matten mit Zellen, die Eis enthalten. Eis ist allerdings im Normalfall ein schlechtes Medium zum Abkühlen des Körpers, weil es gut isoliert - also seine Energie nur sehr langsam frei setzen kann. Durch einen Trick, der mittlerweile international für diese Anwendung patentiert wurde - durch die Beifügung von Graphit - konnten wir die Wärmeleitfähigkeit des Eises auf das 60-Fache erhöhen."
Kühlung innerhalb einer Stunde
Einmal angelegt, kühlen die Matten den Körper des Patienten innerhalb von einer Stunde um drei Grad Celsius ab. Da die Ausgangstemperatur zwischen 36 und 37 Grad Celsius beträgt, ist das schon die Zieltemperatur.

Notfallmediziner Reinhard Malzer: "Wir verlegen damit die Hypothermie-Behandlung in die Phase vor der Spitalseinweisung und sind damit früher dran. Das sollte die Schäden weiter minimieren."
Derzeit Machbarkeitsstudie
Die Einfachheit des Systems überzeugte auch jene Sanitäter und Ärzte von vier Rettungsstationen in Wien, die das Verfahren derzeit im Rahmen einer Machbarkeitsstudie testen.

Sanitäter-Ausbildner bei der Wiener Rettung Alexander Auer: "Das Verfahren wurde von den Teams sehr gut angenommen."

Mittlerweile wurde es bereits bei fünf Patienten mit Herzstillstand erprobt. Nach der Machbarkeitsstudie mit geplanten 20 Patienten soll in den kommenden Jahren eine internationale groß angelegte Untersuchung zeigen, ob die in Wien entwickelte Form der Hypothermie-Behandlung eindeutige Überlebensvorteile für die Patienten hat.

[science.ORF.at/APA, 10.11.06]
->   EMCOOLS
Mehr zu dem Thema in science.ORF.at:
->   Schnelle Kühlung verhindert Tod von Unfallopfern (13.6.02)
 
 
 
ORF ON Science :  News :  Medizin und Gesundheit 
 

 
 Übersicht: Alle ORF-Angebote auf einen Blick
01.01.2010