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Prüfungen stärken das Gedächtnis  
  Wer mit Faktenwissen glänzen möchte, sollte nicht nur lernen, sondern möglichst auch eine Prüfung absolvieren. Denn Tests sind gut für die Merkfähigkeit, wie nun US-Psychologen herausgefunden haben.  
Der Grund: In der Testsituation werden nicht nur die abgefragten Inhalte gefestigt, sondern offenbar auch solche, die damit verwandt sind. Das berichtet ein Team um Jason C. K. Chan von der Washington University in St. Louis.
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"Retrieval-Induced Facilitation: Initially Nontested Material Can Benefit From Prior Testing of Related Material" von Jason C. K. Chan et al. erschien im "Journal of Experimental Psychology: General" (135: 553-571; doi: 10.1037/0096-3445.135.4.553).
->   Abstract im "Journal of Experimental Psychology: General"
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Vom Wissen wollen ...
In der frühen Neuzeit war das noch ganz anders: An vielen Universitäten zahlten damals die Studenten den Vortragenden Geld, damit sie eine Prüfung ablegen durften. Und zwar um herauszufinden, ob sie den Vortragsstoff wirklich verstanden hätten. Die Prüfung war also eine Nachbereitung des Lehrstoffes, quasi eine kostenpflichtige Serviceleistung.
... zum Wissen sollen
Heute hingegen will nicht der Hörer, sondern der Professor etwas herausfinden. Nämlich: Lag der Student auf der faulen Haut oder hat er wirklich etwas gelernt? Keine Frage, die meisten wären ohne Prüfungen ein bisschen fauler, das geben wir gerne zu.

Wenn nur nicht dieser unangenehme Prüfungsstress wäre: Nervosität und nächtelanges Büffeln, weil die Zeit bis zum Prüfungstermin wieder einmal knapp wird - hin und wieder würde man das 21. Jahrhundert gern gegen die frühe Neuzeit eintauschen. Zumindest bis zu den Ferien.
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Prominente Leidgeprüfte
"Die englische Schulausbildung ist die beste der Welt - falls man sie überlebt." - Peter Ustinov (1921-2004)
"Jedesmal, wenn du alle Antworten gelernt hast, wechseln sie alle Fragen." - Oliver Otis Howard (1830-1909), Gründer der Howard University, Washington D.C.
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Experiment mit Studenten
Aber vielleicht sind verpflichtende Prüfungen mehr als nur Überprüfungen? Darauf weist jedenfalls eine Studie von drei Psychologen der Washington University hin: Jason C. K. Chan und seine Mitarbeiter gingen der Frage nach, ob und inwieweit sich Klausuren auf die Merkfähigkeit auswirken.

Zu diesem Zweck legten sie 84 Studenten einen umfangreichen Text über den Tukan, eine in Mittel- und Südamerika beheimateten Vogel, vor. 25 Minuten dauerte die Zeit, sich das Gelesene einzuprägen, dann wurden die Studiosi in drei Gruppen geteilt.

Eine Gruppe musste daraufhin einen Test mit 22 Fragen über den Tukan absolvieren. Gruppe Nummer zwei bekam zusätzlich Zeit, um sich 22 Aussagen über den Vogel einzuprägen - allerdings absolvierte sie keinen Test. Die dritte Gruppe diente der Kontrolle, sie hatte keine zusätzlichen Aufgaben zu erledigen.
Auch verwandte Inhalte werden gefestigt
Tags darauf war Prüfungszeit. Sämtliche Studenten mussten einen Test mit 22 neuen Fragen absolvieren. Das Ergebnis: Gruppe Nummer eins erreichte klar die besten Resultate. Das weist darauf hin, "dass beim Abrufen von Fakten auch verwandte Inhalte gefördert werden", schreiben die Forscher in ihrer Studie.
Variation bringt ähnliches Ergebnis
Damit war der Einfluss der Testsituation auf die Merkfähigkeit noch nicht bewiesen. Denn Gruppe Nummer eins hätte auch aus anderen Gründen besser abschneiden können. Etwa dann, wenn deren Mitglieder zufällig vifer gewesen wären, als die anderen Studenten.

Aus diesem Grund führten Chan und Kollegen noch eine zweite Testserie durch. Diesmal musste jeder Student zwei Artikel zu drei weiteren Themen (Theorie des Urknalls, Geschichte Hong-Kongs, Shaolinkloster) auswählen und studieren. Abgeprüft wurde allerdings nur einer davon. Tags darauf gab es je einen Test über beide ausgewählten Wissensgebiete, der Zusammenhang war wieder derselbe: Die Studenten waren bei dem Thema erfolgreicher, das bereits abgeprüft worden war (freilich mit anderen Fragen).

In einer dritten Testreihe fanden Chan und Mitarbeiter noch heraus, dass auch die Prüfungsdauer eine Rolle spielt: Besonders jene Studenten, die eher schlechte Leistungen erbrachten, profitierten von längeren Klausuren.

Das Team um Chan zieht daraus für die Unterrichtspraxis folgenden Schluss: "Lehrer sollten erwägen, die Frequenz von Tests zu erhöhen, weil das die Festigung von Lerninhalten unterstützt."

[science.ORF.at, 13.11.06]
->   Washington University, Department of Psychology
 
 
 
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01.01.2010