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Warum Knochen selten brechen  
  Knochen sind extrem stabil und dennoch verformbar. Deutsche Forscher haben nun herausgefunden, warum: Knochen sind hierarchisch aufgebaut und können so von außen wirkende Kräfte ideal verteilen. Die Verformung der Knochen läuft eher auf der makroskopischen Ebene ab, für die nötige Stabilität sorgen hingegen die mikroskopischen Bauteile.  
Das berichten Wissenschaftler vom Max-Planck-Institut für Kolloid- und Grenzflächenforschung in Potsdam.
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"Cooperative deformation of mineral and collagen in bone at the nanoscale" von Himadri S. Gupta et al. erschien auf der Website der "Proceedings of the National Academy of Sciences of the USA" (doi: 10.1073/pnas.0604237103).
->   Abstract
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Gute Mischung: Kollagen und Apatit
Knochen müssen ausreichend starr sein, damit sie nicht unter dem eigenen Körpergewicht einknicken. Wie Knetmasse können sie aber auch genug Energie schlucken, um nicht schon wie Keramik bei einem relativ harmlosen Sturz zu splittern.

Dass Knochen Eigenschaften von Knetmasse und Keramik vereinigt, verdankt er seinem Aufbau: Er besteht zur Hälfte aus dem dehnbaren, faserigen Protein Kollagen und zur anderen Hälfte aus dem spröden Mineral Apatit.

Doch erst die Struktur der organischen und anorganischen Bestandteile im Nano- und Mikrometerbereich macht ihn stabil und bruchsicher: Die einzelnen Komponenten verformen sich hierarchisch, wie die Potsdamer Forscher herausgefunden haben.
Vom Großen zum Kleinen
Bild: Max-Planck-Institut für Kolloid- und Grenzflächenforschung
Die weichen organischen Bestandteile schlucken hohen Druck, so dass die kleinsten Bauteile, winzige Apatitplättchen, davon nur noch weniger als ein Sechstel spüren. Die Mineralplättchen selber sind starr und spröde und würden schon bei relativ kleinen Belastungen brechen.

Die weichen Schichten aus Kollagenfasern zwischen ihnen lassen sich dagegen gut verformen. Mineralplättchen und Kollagenfasern bilden zunächst Fibrillen - Fasern, die ihrerseits in einer extrazellulären Matrix lagern. Diese lässt sich wiederum leichter deformieren als die einzelnen Fasern.
Bild rechts: Die gelben Zylinder zeigen mineralisierte Kollagenfibrillen im Längenschnitt, die roten Tafeln stellen Apatitkristalle dar, die innerhalb der Kollagenmatrix der Fibrillen eingebettet sind. Die grünen Bereiche symbolisieren die extrem verformbare Klebeschicht zwischen den Fibrillen. Die Belastung nimmt von der Makro- zur Mikroebene Im Verhältnis von 12:5:2 ab.
Kleinheit verhindert Risse
Über die hierarchische Deformation hinaus haben die Wissenschaftler einen zweiten Grund gefunden, warum Knochen so stabil sind: Auch die Apatitkristalle in ihnen halten viel größeren Druck aus als die Eigenschaften des Minerals erwarten lassen.

Das liegt an der Größe der Plättchen - sie messen nur wenige Nanometer. Da sich solche kleinen Partikel anders verhalten als Kristalle im Mikrometermaßstab, halten sie zwei bis dreimal höhere Kräfte aus, ehe sie brechen. "Aufgrund der geringen Größe der Partikel bilden sich nicht so schnell Risse", sagt Himadri Gupta, einer der beteiligten Forscher.

Dieser verstärkende Effekt war bislang nur in den Materialwissenschaften bekannt. Nun wurde erstmals an einem Biomaterial bewiesen, dass kleine Partikel widerstandsfähiger sind als große.

Die Prinzipien, nach denen Knochen gebaut sind - hierarchische Deformation, Matrixempfindlichkeit und die hohe Stabilität von Nanopartikeln - können Vorbild für neue Materialien sein. Die neuen Erkenntnisse helfen aber auch zu verstehen, welche molekularen Veränderungen Knochen bei einer Osteoporose brüchig machen.

[science.ORF.at/MPG, 14.11.06]
->   Max-Planck-Institut für Kolloid- und Grenzflächenforschung
 
 
 
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01.01.2010