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Hochwasser: Wie man Archive retten kann  
  Im Sommer 2002 wurden u.a. in Sachsen große Kultursammlungen überflutet. Restauratoren diskutierten nun bei einer Veranstaltung in Wien, was man im Ernstfall unternehmen kann.  
Am besten ist es offenbar, wenn man durchnässte Schriftstücke so schnell als möglich in die Gefriertruhe legt und dann eine Gefriertrocknung vornimmt, so die Experten auf der 20. Tagung des Österreichischen Restauratorenverbandes.
Nass und dreckig: 1.100 Meter Akten
Im August vor 4 Jahren überschwemmte die über ihre Ufer tretende Elbe in Sachsen 19 Archive. Wasser und Schlamm beschädigten 1.100 Laufmeter Akten, Fotos, Urkunden, Pläne und Karten - die ältesten davon aus dem 17. Jahrhundert, die jüngsten aus der Gegenwart, sagt Petra Sprenger vom Sächsischen Staatsarchiv Dresden im ORF-Radio:

"Das größte Problem war, dass das Hochwasser überraschend und schnell kam. Es blieb wenig Zeit, um zu reagieren. Somit lag das Archivgut relativ lange im Wasser. Die Ordnung war zerstört, die Bergung wenig koordiniert."
->   Sächsisches Staatsarchiv Dresden
Eiskalter Schock als "Erste Hilfe"
Um die beschädigten Papiere zu sichern wurden sie nach der Bergung gefroren - so tief bzw. kalt wie möglich, so Sprenger:

"Die Gefriertrocknung ermöglicht, dass die Akten getrocknet werden, ohne dass das Wasser (sehr vereinfacht ausgedrückt) wieder in einen flüssigen Zustand kommt. Dazu bedarf es eines bestimmten Drucks und bestimmter Temperaturen. Das erledigen Spezialfirmen. Das Verfahren ist seit langem bekannt, wurde aber bisher in Notfällen nur für kleine Bestände angewandt."
Wasser als kaltes Gas absaugen
Im Herbst 2002 herrschte in den Kühlcontainern des Leipziger "Zentrums für Bestandserhaltung" klirrende Kälte. Bei bis zu minus 25 Grad Celsius haben die Leipziger Experten mehrere zehntausend Bücher, auf Pergamentpapier geschriebene Urkunden, Handschriften aus Kirchenarchiven, aber auch einfache Baupläne und Geschäftsunterlagen erstarren lassen. 30 Tonnen wertvolle Dokumente konnten die Fachleute aus den Fluten der Elbe und des Mulde-Flusses retten.

Bei Temperaturen bis minus 25 Grad wird der Luft in den Gefrierräumen Feuchtigkeit entzogen. "Das zu Eis gefrorene Wasser verlässt die Bücher bei diesen Temperaturen in gasförmigem Zustand und wird dann mit einer Lüftungsanlage aus dem Raum gesogen", erklärte damals ein Mitarbeiter.

Das sei wie bei langen Kälteperioden im Winter. "Plötzlich ist der Schnee weg, ohne dass es überhaupt getaut hat", sagt er. Bei Büchern und Akten dauere das bis zu 16 Wochen.
->   Zentrum für Bestandserhaltung
Ordnung ins Chaos bringen
Erst nach gut einem Jahr der Gefriertrocknung und Gefrierlagerung konnten die sächsischen Archive die verschlammten Akten reinigen und neu ordnen, schildert die Archivarin gegenüber science.ORF.at:

"Das Hauptziel der Restaurierungsmaßnahmen war eine Wiederherstellung der Benutzbarkeit; dass man also papierene Archivstücke überhaupt wieder vorlegen kann."
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Gefriergut Papier
Zum Schutz vor Schimmel und um das Verlaufen von Tinten und Farben zu stoppen, werden nasse Dokumente eingefroren. Bei minus 20 bis minus 25 Grad Celsius - denn da können u.a. keine Schimmelpilze mehr gedeihen. Der Trocknungsvorgang wird bei einer Gefriertrocknung von Papieren stark beschleunigt, indem die zuvor tiefgefrorenen Akten und Bücher in Vakuumkammern einem Unterdruck ausgesetzt werden.
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"Lehren" als schwacher Trost
Die Sächsischen Archive lagern die vorgeschädigten Dokumente nun zum Teil in neuen Depots und neuen Räumen, sagt Sprenger, zum Teil werde in bisherigen Lagern die Luftfeuchtigkeit überwacht. Für die Zukunft seien Katastrophen- und Koordinierungspläne nötig - vor dem Hochwasser 2002 habe es Krisen-Managementpläne nur für kleinere Notfälle gegeben, wie z.B. einen Wasserrohrbruch.

Barbara Daser, Ö1-Wissenschaft, 14.11.06
 
 
 
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01.01.2010