News
Neues aus der Welt der Wissenschaft
 
ORF ON Science :  News :  Leben 
 
Epigenetik: Mütterliche Ernährung prägt die Enkel  
  Die Ernährungsweise von Schwangeren kann Auswirkungen bis in die zweite Generation der Nachkommen hinein haben: Ein US-australisches Forscherteam konnte bei Mäusen zeigen, dass ein besonders nährstoffreicher Speiseplan werdender Mütter zu einer veränderten Fellfarbe bei den Kindern sowie Enkeln führte. Schuld war ein durch die Nährstoffe "stillgelegtes" Gen - seine Regulation wurde über die Generationen hinweg epigenetisch vererbt.  
Obwohl die Nagerkinder aus der ersten Generation bereits wieder eine "Standard-Kost" vorgesetzt bekamen, setzte sich die dunkle - statt goldgelbe - Fellfärbung auch bei ihrem eigenen Nachwuchs durch, berichten David Martin vom Victor Chang Cardiac Research Institute in Sydney (Australien) und sein Team.

Die dafür verantwortliche Information zur Genregulation sei somit den späteren Generationen weitervererbt worden - unabhängig von nachfolgenden Ernährungsumstellungen.
...
Der Artikel "Germ-line epigenetic modification of the murine Avy allele by nutritional supplementation" ist als Online-Publikation der Fachzeitschrift "Proceedings of the National Academy of Sciences/PNAS" (13. November 2006; doi: 10.1073/pnas.0607090103) erschienen.
->   Abstract
...
Die Verbindung: Nahrung und Krankheiten
Es gibt eine Verbindung zwischen der Ernährungsweise vor sowie nach der Geburt und auftretenden Krankheiten im späteren Alter, wie etwa Herz- und Gefäßkrankheiten, Diabetes Typ-2, Fettleibigkeit und Krebs. Das belegt eine Reihe von Studien beim Menschen wie auch bei Tieren.

Dass die Ernährung der Eltern (epi-)genetische Spuren bei den Kindern bis hin zu den Enkeln hinterlassen kann, zeigte auch bereits eine schwedische Untersuchung aus dem Jahr 2002.

So neigten damals untersuchte Enkel eher zu Diabetes, wenn ihre Großväter sich in ihrer Jugend üppig ernährt hatten und nicht hungern mussten, berichtet die Fachzeitschrift "New Scientist" (Studie im "European Journal of Human Genetics", Bd. 10, S. 682).
Epigenetische Modifikation und Vererbung
Dass es sich bei den beobachteten Phänomenen um eine epigenetische Modifikation von Genen und eine Vererbung der Genregulation von Generation zu Generation handelt, unterstützt nun auch die Untersuchung von Martin und seinem Team.

Die epigenetischen Veränderungen der DNA erfolgen dabei über die Methylierung der DNA: Chemische Gruppen werden an bestimmte DNA-Bausteine angehängt und können so Gene regulieren - aktivieren oder auch stilllegen. Eine Veränderung der DNA-Bausteine und ihrer Sequenz selbst findet nicht statt.
->   Epigenetik - Wikipedia
Das "Avy-Gen"
 
Bild: Jennifer Cropley et al. / PNAS

Das US-australische Forscherteam um Martin untersuchte bei den Nagern die epigenetische Vererbung anhand eines "sehr aktiven" Gens, das die Fellfarbe bestimmt: das Avy-Gen (engl. viable yellow allele of agouti). Mäuse mit der Avy-Version des Agouti-Gens haben in der Regel eine goldgelbe Fellfarbe.

Bild: Bei den Mäusen auf der linken Seite ist das Avy-Gen aktiv, das Fell damit goldgelb gefärbt; bei den Mäusen auf der rechten Seite ist das Avy-Gen inaktiv.
Stilllegung durch nährstoffreiche Ernährung
Einem Teil der untersuchten schwangeren Avy-Mäuse gaben die Wissenschaftler ein mit Nährstoffen - etwa Vitamin B12 und Zink - angereichertes Futter. Die Mäuse der Kontrollgruppe erhielten eine Standard-Diät.

Die Nährstoffe begünstigten eine Methylierung der DNA bei den Avy-Mäusen, das Avy-Gen wurde damit deaktiviert, während sich die Embryonen in der Gebärmutter entwickelten.

Das Ergebnis: Der Nachwuchs der besonders nährstoffreich ernährten Mäuse hatte großteils eine dunkle Fellfärbung, während der "Standard-Nachwuchs" - wie erwartet - goldenes Fell trug.
Weitergabe trotz Ernährungskorrektur
Ein ähnliches Bild der Fellfarben zeichnete sich auch in der zweiten Generation ab: Obwohl alle Nachkommen der ersten Generation eine normale Kost erhielten, waren die Enkel der Großmütter mit der Spezialdiät wiederum dunkel gefärbt, die der Kontrollgroßeltern goldgelb.

Fazit der Wissenschaftler: Die Ernährung schwangerer Nager kann das Avy-Gen mindestens bis zur zweiten Generation beeinflussen. Umwelteinflüsse, die sich auf den Phänotyp auswirken, können über epigenetische Vererbung an die nachfolgenden Generationen weitergegeben werden.

Aber die Forscher warnen: Voreilige Rückschlüsse, was eine Ernährungsumstellung bei schwangeren Frauen angeht, sollten auf Grundlage dieser Resultate nicht gezogen werden.

[science.ORF.at, 15.11.06]
->   David Martin - Website
->   Epigenetik - Wikipedia
->   "New Scientist"
Mehr zum Thema in science.ORF.at:
->   Epigenetik: Vorhersagemodell für Krebs (3.3.06)
->   Epigenetik: Vom molekularen Modell zum Krankenbett (15.6.04)
->   Epigenetik: Erbkrankheiten "ohne" Gene? (18.2.03)
 
 
 
ORF ON Science :  News :  Leben 
 

 
 Übersicht: Alle ORF-Angebote auf einen Blick
01.01.2010