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Studie: Wie sich das Gehirn "verzaubern" lässt  
  Zauberer beherrschen die Kunst, bei ihren Beobachtern Illusionen zu erzeugen. Dass Gestik und Mimik der Magier Hauptmotoren für das Täuschungsmanöver sind, wurde nun wissenschaftlich bestätigt.  
Zwei britische Forscher - ein Biologe und ein Psychologe - haben sich zusammengeschlossen, um der Entstehung von Illusionen im Rahmen des magischen Spiels auf die Spur zu kommen.

Ihre - wenig überraschende - Erkenntnis: Die sozialen Hinweisreize der visuellen Kommunikation, auch "social cues" genannt, sorgen für die Täuschung. Sie überlagern das, was die Augen wirklich sehen.
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Der Artikel "There's more to magic than meets the eye" ist in der Fachzeitschrift "Current Biology" (Bd. 16, Nr. 22, R950, 21. November 2006) erschienen.
->   Studie
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Manipulation der Erwartungen
Die Wahrnehmung eines Ereignisses wird häufig durch Erfahrungen und Erwartungen geprägt, schreiben Gustav Kuhn der University of Durham und sein Kollege Michael Land von der University of Sussex.

Bei ihrer Untersuchung nutzen die Wissenschaftler einen Zaubertrick - die "Illusion vom verschwindenden Ball" -, um zu demonstrieren, wie Zauberkünstler Erwartungen manipulieren und damit unsere Wahrnehmung täuschen können.
Der Trick ...
Kuhn und Land zeigten ihren Probanden zwei Videos von einem Zaubertrick - beim ersten trug der Zauberer mit seiner Kopfbewegung und seinem Blick zum Erfolg des visuellen Schwindels bei, beim zweiten nicht.

Der gezeigte Trick: Ein Zauberer wirft einen Ball drei Mal in die Höhe - zwei Mal fängt er ihn auf, das dritte Mal scheint er nach oben hin (am Bildrand) zu verschwinden.
... auf zwei Arten vorgetragen
Bild: Gustav Kuhn
Auf dem "Illusions-Video" blickte der Zauberer dem Ball hinterher, seine Kopfbewegung unterstützte das vermeintliche Verschwinden des Balls nach oben. Immerhin 68 Prozent der Beobachter fielen dem Schwindel zum Opfer: Sie dachten, der Ball hätte die Hand des Zauberers verlassen - natürlich ein Irrglaube.

Auf dem "Anti-Illusions-Video" verhielt sich der Magier anders: Er schaute beim dritten Wurf nicht dem Ball hinterher, sondern ließ seinen Blick auf der Hand ruhen. Diesmal nahmen nur noch 32 Prozent das Verschwinden des Balls nach oben hin wahr.

Die Wahrnehmung der Beobachter wurde durch die "social cues" beeinflusst, die vom Zauberer ausgingen: seiner Kopfhaltung und seines Blicks, so die Wissenschaftler.
->   Video 1: "Illusion"
->   Video 2: "Anti-Illusion"
Blicke verfolgt
Die Wissenschaftler zeichneten bei dem Experiment auch die Augenbewegungen der Beobachter auf: Die meisten Beobachter schauten zuerst in das Gesicht des Zauberers, bevor sie jeweils den Ball verfolgten. Das zeige, dass das visuelle System soziale Hinweisreize gebraucht, um den Ort des Balls zu lokalisieren.

Die "social cues" überlagern allerdings das, was die Augen wirklich sehen. Das System, das die Augenbewegungen kontrolliert, ließ sich beim ersten Video nämlich nicht täuschen: Als der Ball im Zuge des Tricks plötzlich nicht mehr sichtbar war, schauten die Beobachter nicht - wie erwartet - dorthin, wo sie den Ball zuletzt gesehen hatten.
Augenbewegungs-System nicht getäuscht
So spreche das Augenbewegungs-System nur auf die visuelle Information des Balls selbst - seine physische Präsenz - an, so die Forscher. Die Beobachter waren allerdings durch die "social cues" und ihre Erwartungen bei ihrer Wahrnehmung beeinflusst und glaubten so an ein Verschwinden des Balls in der Luft.

Damit kann laut Kuhn und Land davon ausgegangen werden, dass es zwei getrennte neuronale Verarbeitungswege gibt: einen für die Wahrnehmung über die "social cues" und einen für die Kontrolle durch die Augenbewegung. Ein Umstand, den auch andere Studien aus der jüngeren Vergangenheit bestätigt hätten.

[science.ORF.at, 20.11.06]
->   Gustav Kuhns Website
Mehr zum Thema in science.ORF.at:
->   Der Trick der Zauberer: Den Scheitellappen überlasten (24.8.05)
 
 
 
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01.01.2010