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"Nocebo": Wie aus Angst Schmerz wird  
  Hat der Placebo-Effekt eine positive Wirkungsweise, so verkehrt sich diese beim "Nocebo" ins Negative - kurz: Aus Angst werden Schmerzen. Forscher haben nun die dahinter liegenden biochemischen Prozesse geklärt.  
Bekommen Patienten beispielsweise eine wirkstofflose Tablette, von der sie glauben, sie verursache negative Nebenwirkungen, dann spüren sie diese auch verstärkt. Doch es reicht schon, wenn Patienten verbal darüber aufgeklärt werden, dass ihnen etwas besonders Schmerzhaftes blüht - so also eine negative Grundhaltung haben.

Die aktuelle Studie italienischer Forscher könnte nun Hinweise auf eine neue Art schmerzlindernder Medikamente geben, schreibt das Wissenschaftsmagazin "New Scientist" in seiner aktuellen Ausgabe.
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Der Artikel "The Biochemical and Neuroendocrine Bases of the Hyperalgesic Nocebo Effect" von Fabrizio Benedetti et al. ist ursprünglich in der Fachzeitschrift "Journal of Neuroscience" (Bd. 26, S. 12014, 15. November 2006) erschienen.
->   Abstract
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Mittel linderte Nocebo bei OP-Patienten
Bereits 1977 fanden Fabrizio Benedetti von der University of Turin und seine Kollegen heraus, dass der Nocebo-Effekt bei Patienten, die sich von einer sehr schmerzvollen Operation erholten, mit Hilfe des magenschützenden Wirkstoffs Proglumid gelindert werden konnte.

Das Proglumid blockiert dabei die Wirkung von Cholecystokinin (CCK), einem Hormon des Magen-Darm-Trakts, das auch als Botenstoff im Gehirn Funktionen übernimmt. CCK wird dabei mit dem Gefühl von Angst in Verbindung gebracht wird.
Botenstoff wandelt Angst in Schmerz
In der aktuellen Untersuchung konnten die Wissenschaftler nun nachweisen, dass der Neurotransmitter CCK Angst in Schmerzen umwandeln kann.

Bei 49 Probanden wurde der Arm abgebunden und so die Blutzirkulation gehemmt. Mit der Hand sollten sie in Folge und wiederholt eine Kraftübung machen - eine schmerzauslösende Angelegenheit, die normalerweise nach 15 Minuten unerträglich wird. Die Probanden gaben dabei regelmäßig Auskunft über ihr Befinden.
Wirkstoff Proglumid als "Blocker"
Das Ergebnis: Die Nocebo-Personen mit negativer Grundeinstellung über die zu erwartenden "Nebenwirkungen" berichteten von größeren Schmerzen als diejenigen, die nichts dergleichen erwarteten.

Doch die Personen, die "ein Nocebo" plus den Wirkstoff Proglumid bekommen hatten, fühlten nur ähnlich starke Schmerzen wie die Kontrollgruppe.
Neue CCK-Blocker entwickeln
So gehen Benedetti und seine Kollegen davon aus, dass Proglumid die Wirkungsweise des Botenstoffs CCK stoppt und damit Angst nicht in Schmerzen verwandelt wird.

Allerdings sei Proglumid, der einzige zugelassene "CCK-Blocker" bei Menschen, nicht sehr effektiv. Es gelte, neue Wirkstoffe zu entwickeln.

[science.ORF.at, 23.11.06]
->   University of Turin
->   Nocebo-Effekt - Wikipedia
->   Cholecystokinin (CCK) - Wikipedia
->   Alle Beiträge zum Stichwort Placebo in science.ORF.at
 
 
 
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01.01.2010