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Schweiß ist individueller als gedacht  
  Menschlicher Schweiß ist nicht gleich Schweiß: Wie ein Team österreichischer Biologen herausgefunden hat, unterscheiden sich seine chemischen Bestandteile sowohl individuell als auch zwischen Männern und Frauen sehr stark. Damit könnte er eines Tages als "Fingerabdruck des Geruchs" zur individuellen Identifizierung von Menschen verwendet werden.  
Davon berichten Dustin Penn, Direktor des Konrad-Lorenz-Instituts für Vergleichende Verhaltensforschung der Österreichischen Akademie der Wissenschaften, und sein Team in einer Studie.
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Die Studie "Individual and gender fingerprints in human body odour" ist im Journal of the Royal Society Interface (doi: 10.1098/rsif.2006.0182; 29.11.06) erschienen.
->   Journal of the Royal Society Interface
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Immer der Nase nach
"Blut ist ein ganz besonderer Saft", ließ Goethe seinen Mephisto sagen. Schweiß aber nicht minder, wie bereits zahlreiche Studien aus der Vergangenheit bewiesen haben.

Die älteste Referenz, die die österreichischen Forscher in ihrer aktuellen Untersuchung angeben, bezieht sich auf das Jahr 1867. Damals berichtete ein gewisser G.J. Romanes in der Fachzeitschrift "Nature", dass Menschen über längere Zeiträume gleich bleibende, individuelle Duftnoten besitzen. Entsprechende Studien mit Hunden hatten dies bewiesen.

Dass die Geruchserkennung zwischen Müttern und ihren Neugeborenen eine wichtige Rolle spielt, ist mittlerweile ebenso bekannt und experimentell überprüft, wie die Fähigkeit von Pärchen, den Partner oder die Partnerin "erriechen" zu können.
Größte Achselschweiß-Studie bisher
Woraus sich diese individuellen Duftnoten aber zusammensetzen, war bisher nur ungenügend bekannt, meinte Dustin Penn gegenüber science.ORF.at.

Deshalb haben er und sein Team die bis dato größte und intensivste Schweißstudie durchgeführt: 197 Bewohnern eines Dorfes in den Kärntner Alpen wurde zehn Wochen lang alle 14 Tage Schweiß aus dem Achselbereich entnommen.

Und zwar mit Hilfe eines neu entwickelten Werkzeugs, eines "magnetischen Schweißrollers", der den ganz besonderen Saft möglichst unverfälscht aus den Achseln holt (Fachausdruck der Technik: Stir Bar Sorptive Extraction).
"Reinheitsgebote des Experiments"
Zudem hatten sich die Probanden - 89 Männer und 108 Frauen - an eine Reihe weiterer "Reinheitsgebote des Experiments" zu halten: etwa auf parfümierte Deodorants zu verzichten, die Achselhaare zwei Tage vor jeder Untersuchung nicht zu rasieren und sich diese mindestens zwölf Stunden vorher auch nicht mehr zu waschen. Zu Kontrollzwecken wurden ihnen auch Speichel- und Urinproben abgenommen.
Flüchtige organische Verbindungen
Mit den Methoden der Gas-Chromatographie und Massenspektrometrie analysierten die Forscher später im Labor die chemischen Bestandteile.

Das Hauptresultat: Schweiß enthält mehr flüchtige organische Verbindungen als Speichel und Urin. Und: Diese "volatile organic compounds" (VOC) kann man sowohl individuell als auch nach dem Geschlecht zuordnen.

Insgesamt fanden die Forscher 373 Verbindungen, die bei den einzelnen Probanden über den Versuchszeitraum gleichbleibend vorhanden waren. Wie sie betonen, waren die Duft-Bouquets oft selbst zwischen nahen Verwandten aber höchst unterschiedlich.
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Ester- und andere Verbindungen
Von 44 individuellen und zwölf geschlechtsspezifischen VOC's ermittelten die Forscher die chemische Struktur. Darunter befanden sich Verbindungen mit Kohlenwasserstoffen, Alkohol, Ketonen und vor allem Ester.
->   Mehr über VOC's
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Herkunft unklar
Der Ursprung sowohl der individuellen als auch der geschlechtsspezifischen chemischen Verbindungen ist laut den Forschern unklar.

"Einige könnten exogen sein, also von 'Verschmutzungen' wie Parfüms stammen. Aber viele werden vermutlich endogen vom Körper oder von seiner Mikroflora produziert", erklärte Dustin Penn gegenüber science.ORF.at.
Anwendungen: Diagnosen, Biometrie, E-Nasen
Während sich die Duftexperten in der Verhaltensforschung oft sehr angewandten Themen widmen - etwa die in zahlreichen Studien untersuchte Wirkung von Sexuallockstoffen (Pheromonen) für die Partnerwahl -, war die aktuelle Untersuchung eher grundlagenorientiert.

Praktische Umsetzungsmöglichkeiten liegen aber zumindest am Horizont der Erwartungen: etwa bei der Entwicklung von künstlichen Geruchssensoren (E-Noses), bei der Diagnose von Krankheiten oder in der Biometrie.

Dustin Penn hält es nicht für ausgeschlossen, dass der individuelle Geruch eines Tages zur Identifizierung von Menschen eingesetzt werden kann.

Lukas Wieselberg, science.ORF.at, 29.11.06
->   Konrad-Lorenz-Institut für Vergleichende Verhaltensforschung
Mehr zu dem Thema in science.ORF.at:
->   Hunde können Lungen- und Brustkrebs erschnüffeln (9.1.06)
->   Studie: Hat der Mensch eine Spürnase? (30.8.05)
->   Neuro-Beweise: Duftstoffe beeinflussen Partnerwahl (10.5.05)
 
 
 
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01.01.2010