News
Neues aus der Welt der Wissenschaft
 
ORF ON Science :  News :  Medizin und Gesundheit 
 
Psychologen untersuchen Deja vu eines Blinden  
  Fast jeder hat schon einmal ein Deja-vu-Erlebnis gehabt: den Eindruck, etwas bereits erlebt zu haben, das sich doch gerade zum ersten Mal ereignet. Britische Psychologen berichten nun von der ersten Beobachtung des Phänomens bei einem Blinden. Sie stellt die These in Zweifel, wonach ein Verarbeitungsfehler optischer Reize im Gehirn ein "Deja vu" auslöst.  
Von dem Fall berichten Akira O'Connor und Christopher Moulin von der Universität in Leeds.
...
Die entsprechende Studie "Normal patterns of deja experience in a healthy, blind male: Challenging optical pathway delay theory" ist in "Brain and Cognition" (Bd. 62 , S. 246, Dezember 2006) erschienen.
->   Abstract der Studie
...
Viele Erklärungsversuche
Erklärungen für Deja-vu-Erlebnisse gibt es viele. Sie reichen von esoterischen, die frühere Leben für das Phänomen verantwortlich machen, bis zu handfesten aus Psychologie und Neurowissenschaften.

Gewissen Dispositionen, darin ist sich die Wissenschaft einig, fördern das Auftreten der Erinnerungstäuschung: Psychosen etwa oder bestimmte epileptische Anfälle, auch Müdigkeit gehört dazu.

Neurologen haben durch elektrische Stimulation des Schläfenlappens im Gehirn auch bereits künstliche Deja-vu-Erlebnisse herbeigeführt.
Fehlschaltung im Gehirn
Dennoch gibt es bisher keine zufrieden stellende Erklärung für das Phänomen. Die meisten Forscher tendieren in die Richtung, es als "Fehlschaltung im Gehirn" zu verstehen, bei der aktuelle Reize falsch mit länger zurückliegenden Erinnerungen gekoppelt werden.
Synchronisationsfehler feuernder Neuronen?
Eine andere, ältere These besagt, dass es sich um einen Synchronisationsfehler feuernder Neuronen handelt: Er tritt dann auf, wenn das Gehirn glaubt, einen Reiz zum zweiten Mal zu empfangen, obwohl er nur von zwei verschiedenen Quellen stammt. Das beste Beispiel dafür sind visuelle Reize, die von den zwei Augen stammen.

In der Fachwelt nennt sich die entsprechende These "optical pathway delay theory", der zufolge das eine Auge um Mikrosekunden später Informationen ans Gehirn liefert als das andere und somit das Deja vu auslöst.
Eine Theorie wird zu Grabe getragen
Akira O'Connor und Christopher Moulin berichten nun von einem Fall, der gegen diese Theorie spricht: Bei einem 25-jährigen gesunden Blinden trat das Phänomen genau wie von der Theorie beschrieben auf, ausgelöst allerdings durch Geruch, Gehör und Tastempfindungen.

In ihrer Studie beschreiben sie, wie der Proband durch die Kombination verschiedener Reize - u.a. das Öffnen eines Zippverschlusses beim Zuhören einer bestimmten Musik - Deja vus erlebte.

Auch wenn damit das letzte Wort zur Klärung des Phänomens nicht gesprochen ist, wollen die beiden britischen Psychologen damit zumindest die "optical pathway delay theory" zu Grabe getragen haben.

[science.ORF.at, 29.11.06]
->   Leeds Memory Group
Mehr zu dem Thema in science.ORF.at:
->   Gehirnforscher: Wie Deja-Vu-Erlebnisse entstehen
->   Das Gehirn weiß mehr, als es zugibt (1.10.01)
 
 
 
ORF ON Science :  News :  Medizin und Gesundheit 
 

 
 Übersicht: Alle ORF-Angebote auf einen Blick
01.01.2010