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Politik: Substanz und Inszenierung kein Widerspruch  
  Da die Persönlichkeit von Politikern im Medienzeitalter immer wichtiger wird, widmet sich eine in Wien stattfindende Politologen-Tagung diesem Thema. Substanz und Inszenierung eines Politikers müssen kein Widerspruch sein, meint die Kommunikationstrainerin Regina Jankowitsch in einem Gastbeitrag. Sie zählt die Erfolgsfaktoren einer glaubwürdigen Politik auf.  
Profil zeigen, offen sein und darüber reden können: Erfolgsfaktor in der Politik
Von Regina Jankowitsch

Wer ad personam authentisch und dennoch professionell kommunizieren kann, hat von vornherein entscheidende Vorteile als PolitikerIn. Grundvoraussetzung dafür sind allerdings ein klares politisches Anliegen, sichtbare Maßnahmen dazu und der Mut zum Dialog bzw. zum Korrektiv, die die Nachhaltigkeit des Anliegens erst glaubhaft machen.

Sonst verkommt das Handwerk der persönlichen Kommunikation zur Phrasendrescherei, zur reinen Ankündigungspolitik, zum vielfach angeprangerten "Politik-Sprech", zur substanzlosen Inszenierung.
Lösungsorientierung und Selbstkritik
"Tue Gutes, rede darüber und sei in Deinem Denken lösungsorientiert und selbstkritisch" scheint im Medienzeitalter fernab von Wahlplakaten und Parteiprogrammen Erfolgsfaktor zu sein.

Das jedenfalls ergab eine Untersuchung im Jahr 2004, an der 27 JungpolitikerInnen und Quereinsteiger aller politischen Parlamentsfraktionen sowie einiger Interessensvertretungen in Österreich und Deutschland teilgenommen haben. Diese Untersuchung wurde in das Buch "Ich trete an!", erschienen 2005 bei Ueberreuter, eingearbeitet.
->   Mehr über das Buch (Ueberreuter)
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Drei-Länder-Tagung "Persönlichkeit & Politik"
Vom 30. November bis 2. Dezember 2006 veranstaltet die Österreichische Gesellschaft für Politikwissenschaft (ÖGPW) die Drei-Länder-Tagung "Persönlichkeit & Politik". Dabei wird Regina Jankowitsch den Vortrag "Persönliche politische Komunikation - ein entscheidender Erfolgsfaktor" halten.
->   Programm der Veranstaltung
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Parallel dazu prägen vor allem vier Entwicklungen die politische Kommunikation im deutschsprachigen Raum:
1. Medien brauchen Persönlichkeiten
Die Medien-Demokratie forciert Persönlichkeiten. JournalistInnen suchen nach ausdrucksstarken PolitikerInnen, die sie zitieren oder abbilden können. Das Parteiprogramm als solches kann schließlich keine Interviews geben.

Instrumente wie Plakate, bezahlte Fernsehbeiträge oder Werbebroschüren können nur eingeschränkt Glaubwürdigkeit aufbauen.

Die beste Idee, höchste Kompetenz oder großartige Leistungen haben schlechte Chancen, wenn sie nicht entsprechend persönlich kommuniziert werden.
2. Mehr Chancen für Parteiunabhängige
Die Demokratie als solches kann aber durch diese steigende Bedeutung des Faktors Mensch ebenfalls profitieren: Denn so können Persönlichkeiten, die authentisch und professionell kommunizieren, auch unabhängig von Parteiapparaten Bekanntheit und Aufmerksamkeit für sich und ihre Anliegen lukrieren.

Besonders dort, wo PolitikerInnen direkt gewählt werden (vor allem im Kommunalbereich bzw. durch das Prinzip der Vorzugs- oder der Erststimme), können hier neue Gesichter für frischen Wind sorgen. Das ist ein grundsätzliches Potential für Quereinsteiger.
3. Mehr Qualität und Kontrolle möglich
Persönliche Kommunikation heißt aber auch, dass PolitikerInnen quasi vor laufender Kamera immer wieder beweisen können/müssen, ob ihnen letztlich ihr jeweiliges Anliegen, oder doch nur parteitaktisches Kalkül bzw. eigene Karrierepläne am Herzen liegen.

Im Medienzeitalter wird zumindest theoretisch die Spur des homo politicus - sei es qualitativ, sei es als Leistungsbilanz - viel schneller als noch vor einer Generation deutlich und nachverfolgbar.

Unabhängige JournalistInnen sowie kritische BürgerInnen sind jedenfalls in diesem Setting entscheidende Faktoren, um der Politik ein wirkungsvolles Korrektiv zu bieten.
4. Bürgernähe und Lobbying neben Interviews
Trotzdem ist es gerade in der Politik zu wenig, nur über Medien zu kommunizieren. Das würde nicht nur Abhängigkeiten schaffen, sondern insbesondere den direkten Kontakt zu den drei anderen Haupt-Zielgruppen - WählerInnen, der eigenen Fraktion sowie Multiplikatoren und Experten aus dem eigenen Aufgabenbereich - vernachlässigen.

Persönlich in den direkten Dialog mit all jenen zu treten, deren Interessen man vertritt bzw. die für die Lösung von Aufgaben hilfreich sein können, unterstützt die individuelle Glaubwürdigkeit dramatisch.

Parteiübergreifende Kontakte gewinnen dabei an Bedeutung - "Kastl-Denken" ist schwer mit Professionalität gleichzusetzen.
Glaubwürdigkeit durch Unabhängigkeit ...
Nimmt man Chancen und Potenziale, die die persönliche Kommunikation in der politischen Arena mit sich bringt, als gegeben, bleibt dennoch zu diskutieren, wie - neben dem authentischen Anliegen, professioneller Kommunikation und den das Anliegen unterstützenden Maßnahmen - individuelle Glaubwürdigkeit "geschaffen" werden kann.

Die 27 Befragten der Untersuchung waren sich einig, dass finanzielle bzw. emotionale Unabhängigkeit überall, auch in der Politik, die Entwicklung einer klaren Linie sowie von Mut und Zivilcourage fördern.
... Berufserfahrung, zeitliche Limitierung u.a.
Strukturelle Ideen wie Ausbildung und Praxis in einer anderen Berufssparte, die ein Wechseln zwischen Politik und dem "Rest" möglich macht, eine Vereinfachung des Einstiegs in bzw. eines Ausstiegs aus der Politik, die dieses Wechseln sogar fördert, Förderung von Kommunikation, Diskussion & Dialog bereits in den Schulen, um eine andere Kultur des Gemeinsam-Probleme-Lösens ehestmöglich zu schaffen sowie die zeitliche Limitierung jeder politischen Funktion analog zum Prinzip beim Amt des Bundespräsidenten standen dabei im Vordergrund.

Angesichts sinkender Wahlbeteiligungen und niedrigster Imagewerte für PolitikerInnen generell ist ein breit angelegter Diskurs darüber wichtig.

[30.11.06]
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Über die Autorin
Dr. Regina M. Jankowitsch, M.A., ist Kommunikationstrainerin und Coach in Wien, Lehrbeauftragte an der Universität Wien/Institute für Politikwissenschaften und Publizistik, Buchautorin, "Ich trete an! - 10 Erfolgsfaktoren für alle, die gewählt werden wollen", Ueberreuter, 2005.
->   Regina M. Jankowitsch
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01.01.2010