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Abschlussbericht der BA-CA-Historikerkommission  
  Die Historikerkommission, die im Jahr 2000 von der Bank Austria/Creditanstalt nach US-Sammelklagen von Arisierungsopfern eingesetzt wurde, hat am Mittwoch ihren Abschlussbericht vorgelegt.  
Die zwei Bände mit insgesamt gut 2.000 Seiten umfassen Recherchen über die Vorgängerinstitute der BA-CA in der NS- und der Nachkriegszeit. Das sind die Creditanstalt-Bankverein, die Creditanstalt-Regionalbanken, Länderbank und Zentralsparkasse. Zudem ist ein Archiv mit den Originaldokumenten geschaffen worden.
Kommission: Unter Kontrolle, aber Handlungsspielraum
Nach fünfjährigen Recherchen in Archiven in Österreich und Europa kamen die Historiker zum Schluss, dass die Vorgängerinstitute der heutigen BA-CA zwar mit Ausnahme der Zentralsparkasse der Gemeinde Wien unter der Kontrolle deutscher Unternehmen standen - die Creditanstalt-Bankverein befand sich unter der Kontrollmehrheit der Deutschen Bank, die Länderbank war eine Tochter der Dresdner Bank -, dass ihr eigener Handlungsspielraum aber trotzdem beachtlich war.

Dem Leiter der Historikerkommission, Gerald D. Feldman von der Universität Berkeley/California, zufolge beschränkte sich das deutsche Diktat auf die Rahmenbedingungen, innerhalb derer die Banken ihre eigene Politik verfolgten.
"Wo die Armee war, waren die Banken."
Dazu gehörte das "Rausschmeißen" der Juden aus ihren Positionen, so Feldman, nicht nur in den eigenen Zweigstellen, sondern auch in den Industriebetrieben, an denen die Bankinstitute beteiligt waren.

Außerdem ließ sich ein starkes Expansionsbestreben in Richtung Böhmen, Mähren, der Slowakei und Polen feststellen. Wien galt als wirtschaftspolitische Drehscheibe für den Osten. Man ging daran, gleichsam die Zustände der K.u.K.-Zeit wiederherzustellen.

Die militärische Eroberung ebnete den Weg für die Geldinstitute: "Wo die Armee war, waren die Banken." Die Niederlassung in Krakau betrieb mittels eines Arrangements mit der SS eine eigene Sektion für Kunden in Konzentrationslagern. Deren Gelder verblieben nach ihrem Ableben bei der Bank.

Die politische Mitbestimmung der Geldinstitute äußerte sich auch in der Gewährung von Krediten an z.B. Rüstungsunternehmen. Interessantes Detail am Rande: auch der sudetendeutsche Industrielle Oskar Schindler, der zahlreichen Juden das Leben gerettet hat, besaß ein Konto bei der CA.
Management ausgewechselt
Auch bei der Zentralsparkasse wurde die hohen Managementebenen ab 1939 "gesäubert", sprich ausgewechselt, bis der Betrieb spätestens ab 1942 eindeutig von Nationalsozialisten bestimmt war.

Laut Kommissionsmitglied Theodor Venus, Lektor der Universität Wien, waren die Sparkassen statutengemäß eng an den NS-Staat gekoppelt, was eine Penetration von Nazis in die Wiener Kommunalorgane und in die Sparkasse zur Folge hatte.
Entnazifizierung
Was die Entnazifizierung nach dem Zweiten Weltkrieg anlangt, meinte Oliver Rathkolb vom Institut für Zeitgeschichte der Universität Wien, dass zunächst die Reichsdeutschen aus den drei Banken entfernt wurden, in einem zweiten Schritt die übrigen NSDAP-Mitglieder.

Bei den späteren Entschädigungen hielten sich die Creditanstalt und die Länderbank mit Eigeninitiativen zurück und lieber eng an die staatlichen Vorgaben. Das führte dazu, dass Bankkunden teilweise bis 1961 auf das "Abgeltungsfondsgesetz" warten mussten. Somit gab es über Jahre eine "breite Fülle an stehen gebliebenen Konten", so Rathkolb.
Dokumentationsarchiv
Für das Dokumentationsarchiv der BA-CA ist die Historikerin und Projektkoordinatorin der Kommission, Ulrike Zimmerl, verantwortlich. Hier wird das Quellenmaterial der Historikerkommission - eineinhalb Kilometer an Akten - der Öffentlichkeit zugängig gemacht.

Die Ergebnisse der Wissenschaftler sind unter dem Titel "Österreichische Banken und Sparkassen im Nationalsozialismus und in der Nachkriegszeit" im Verlag C.H. Beck erschienen und werden demnächst ins Englische übersetzt.

[science.ORF.at/APA, 30.11.06]
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Veröffentlichung
"Österreichische Banken und Sparkassen im Nationalsozialismus und in der Nachkriegszeit" von
Gerald D. Feldman, Oliver Rathkolb, Theodor Venus, Ulrike Zimmerl, Verlag C.H.Beck, Band 1: 942 Seiten, Band 2: 1077 Seiten
->   Details
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01.01.2010