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Symposion: 50 Jahre Beziehungen Israel-Österreich  
  Am Sonntagabend wurde in Jerusalem ein Symposion über 50 Jahre diplomatische Beziehungen zwischen Israel und Österreich eröffnet. Namhafte Wissenschaftler diskutieren über das wechselvolle Verhältnis.  
Rolf Steininger von der Universität Innsbruck beschrieb die Beziehungen zwischen beiden Ländern vor der Aufnahme diplomatischer Beziehungen 1956. "Österreich gehört zu den Ländern, die Israel relativ früh anerkannt haben", sagte er vorab.
Österreich vertrat Opfertheorie
Deutschland habe durch das Luxemburger Abkommen zu Wiedergutmachungszahlungen das Überleben Israels garantiert. Doch auch ohne diplomatische Beziehungen, die wegen der Hallstein-Doktrin erst 1965 zustande kamen, sei Deutschland finanziell, wirtschaftlich, politisch und militärisch der wichtigste Ansprechpartner Israels in Europa gewesen. Österreich hingegen, so Steiniger, vertrat die "Opfertheorie".
Nach Millionenkredit keine Reperationsforderungen
Um 1950, als in Israel eine Hungersnot drohte, liefen die Verhandlungen mit Deutschland über das Luxemburger Abkommen, gleichzeitig wollten und brauchten die Israelis von Wien einen 100 Millionen Schilling-Kredit.

"Dieser Kredit wurde gewährt, hatte aber seinen Preis. Der israelische Außenminister erklärte öffentlich 1952 in Paris: Israel erkennt die Opfertheorie an und wird keine Reparationen von Österreich fordern."
Diplomatische Krisen
Der Politiker Anton Pelinka stellte die Krisen der diplomatischen Beziehungen dar, während der Jahre von Bundeskanzler Bruno Kreisky, der Präsidentschaft von Kurt Waldheim und der Regierungsbildung im Jahr 2000 . "Der Grund ist weniger im zwischenstaatlichen als vielmehr im gesellschaftlichen Bereich zu sehen."
Kreisky kein kritikloser Befürworter der PLO
John Bunzl vom Österreichischen Institut für internationale Politik (OIIP) und Robert Wistrich, Historiker an der Hebräischen Universität in Jerusalem, beschäftigen sich mit Bruno Kreisky.

"Es herrscht die Vorstellung, dass Kreisky ein kritikloser Befürworter der PLO gewesen sei. Ich werde auf einige Differenzen und spannende Meinungsunterschiede hinweisen", sagte Bunzl vorab. Als Beispiel nannte er die Frage des Verhaltens Kreiskys während der Besetzung des Libanon 1982. Ebenso nannte er das Verhältnis des verstorbenen PLO-Chefs Yasser Arafats zu seinem Intimfreund Issam Sartawi.

Der wurde ermordet, wegen seiner Vorschläge zu einem damals noch nicht existenten Dialog mit Israel. Kreisky habe unterstellt, dass Arafat Sartawi "seine schützende Hand entzogen hätte". Es gab noch weitere Differenzen. "Kreisky hätte gerne die Lehren der österreichischen Sozialdemokratie von der PLO beherzigt gesehen, was natürlich eine Verkennung von vorne bis hinten war", sagte Bunzl.
"Ehrlicher Vermittler" im Nahen Osten
Wistrich untersuchte die "sehr spannungsgeladenen Beziehungen mit Israel und der weltweiten jüdischen Gemeinschaft während der 13-jährigen Regierungszeit Bruno Kreiskys". Kreisky dachte an die Rolle Österreichs und an seine eigene Rolle auf der Weltbühne, wobei der Nahe Osten eine zentrale Rolle spielte.

Kreisky sei "zu Schlüssen gekommen, die ihrer Zeit weit voraus waren, insbesondere, dass die Palästinenserfrage der Kern des Nahostkonflikts sei." Kreisky habe eine klare pro-palästinensische Position bezogen, obgleich er sich als "ehrlicher Vermittler" präsentierte.

Andererseits stand Kreisky an der Spitze eines neutralen Landes, also ohne Fähigkeit, militärisch, diplomatisch oder politisch "liefern zu können".
Zu viele Emotionen
Wistrich stellte fest, dass Kreisky wegen seiner jüdischen Herkunft in nahöstlichen Angelegenheiten "sehr emotional" handelte, im Gegensatz zu seiner sonst eher kühlen und berechnenden Außenpolitik.

Deshalb habe Kreisky unzählige Fehler gemacht und neben Israel die jüdische Weltgemeinschaft gegen sich aufgebracht. Doch Wistrich kam zu Schluss, dass Kreiskys Verhalten nur zum Teil mit dem so genannten "Jüdischen Selbsthass" erklärt werden könne.

Seine Emotionen hätten Kreisky "unnötig nachsichtig für palästinensischen Terror gemacht und exzessiv kritisch zu Israels Reaktionen". So habe Kreisky seine gewünschte Rolle als Vermittler im Nahen Ostens selber untergraben. Denn es führte in seiner Regierungszeit zu angespannten Beziehungen und am Ende zu einem Vertrauensverlust der Israelis.
Aber keine öffentliche Kritik
Wistrich hat die ganze unveröffentlichte Korrespondenz zwischen Kreisky und PLO-Chef Yasser Arafat gelesen und dabei bemerkt, dass es erhebliche Differenzen zwischen beiden gegeben habe.

So lehnte Kreisky die terroristischen Betätigungen der PLO gegenüber Arafat ab, sagte das aber niemals öffentlich. "Es war eine Tragödie. Kreiskys persönliche Wut auf Israels Reaktionen führte ihn dazu, die PLO öffentlich nicht zu kritisieren."

[science.ORF.at/APA, 4.12.06]
 
 
 
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01.01.2010