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Joseph Ki-Zerbo: Würdigung des afrikanischen Historikers  
  Am Montag ist Joseph Ki-Zerbo gestorben, der bekannteste Historiker des französischsprachigen Afrika. Walter Schicho, Leiter des Instituts für Afrikanistik der Universität Wien, hält ihn für den "ersten klassischen Historiker des frankophonen Afrika - einer der Wissenschaftler, die das Bild Afrikas in unseren Breitengraden geprägt haben."  
Ki-Zerbo werde in Erinnerung bleiben "als Figur ohne Flecken, als einer, der sowohl in seiner politischen Karriere als auch in der Wissenschaft immer mit demokratischen und angemessenen Mitteln operiert hat, der nie korrupt oder auf den eigenen Vorteil bedacht war - ein echtes Vorbild," schilderte Schicho gegenüber science.ORF.at.
Erster afrikanischer Geschichtsdozent an Sorbonne
Joseph Ki-Zerbo wurde am 21. Juni 1922 in Obervolta geboren, dem heutigen Burkina Faso in Westafrika, wo sein Vater als erster Christ gegolten hat. Er selbst war tief gläubig.

Nach seinem Studium im benachbarten Mali ging er mit einem Stipendium 1949 nach Paris, wo er in den 50er Jahren der erste afrikanische Geschichtsdozent an der Sorbonne und später auch Professor in Orleans und Paris wurde.
Politiker und Wissenschaftler
1957 kehrte Ki-Zerbo nach Afrika zurück und wurde neben seiner Lehr- und Forschungstätigkeit - u.a. als Direktor des "Centre d'études pour le développement africain (CEDA) und im "Council for the Development of Social Science Research" (CODESRIA) - auch politisch aktiv.

Er gründete in Dakar die "Bewegung zur nationalen Befreiung" (Mouvement de libération nationale), die in mehreren afrikanischen Ländern aktiv war.
Hauptwerk über "Geschichte Schwarzafrikas"
Bild: EPA
Joseph Ki-Zerbo
Ki-Zerbo wurde weltweit als Herausgeber der mehrbändigen "Allgemeinen Geschichte Afrikas" bekannt, die von der UNO-Wissenschaftsorganisation UNESCO unterstützt wurde. 1972, als er bereits Professor für Geschichte in Ouagadougou war, der Hauptstadt seines Geburtslandes, erscheint sein bekanntestes Buch - die "Geschichte Schwarzafrikas".

Darin widerspricht er der damals weit verbreiteten Sichtweise vehement, wonach es sich bei Afrika um einen kultur- und geschichtslosen Kontinent handle.

Laut dem Afrikanisten Walter Schicho handelt es sich bei dem Werk um "eine klassische Überblicksgeschichte, in der ein afrikanischer Historiker gegen den europäischen Blick anschreibt".
Bewegtes Leben bis zum "elder statesman"
Auch wenn es sich heute nicht mehr unbedingt um ein Standardwerk der Afrikanistik handle, so sei dies vor 30 Jahren anders gewesen.

"Als Wissenschaftler war Ki-Zerbo in den 1970er Jahren eine Führungsperson, dann hat er durch andere Tätigkeiten stark an Produktionsmenge verloren. Zuletzt wurde er vor allem als 'elder statesman' wahrgenommen und nicht unbedingt als Wissenschaftler," meint Schicho.

Das lag nicht zuletzt daran, dass Ki-Zerbo seine Funktion zugleich als Wissenschaftler und als Politiker gesehen hat - eine nicht unübliche Kombination in Afrika. 1984, zur Zeit der Militärjunta unter Thomas Sankara in Burkina Faso, musste Ki-Zerbo ins Exil gehen, 1992 kehrte er in seine Heimat zurück.
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1997 Verleihung des Alternativen Nobelpreises
Als Politiker und Autor setzte sich Ki-Zerbo Zeit seines Lebens dafür ein, den Afrikanern nach der Zeit des Kolonialismus die Kontrolle über ihr Schicksal zurückzugeben. 1997 wurde ihm der Alternative Nobelpreis für diese lebenslangen Bemühungen um eine eigene afrikanische Identität verliehen.
->   Preisverleihung (The Right Livelihood Award)
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Bis heuer politisch aktiv
1994 gründete Ki-Zerbo in Burkina Faso eine - nach europäischen Maßstäben - sozialdemokratische Partei (Parti pour la démocratie et le progrès/Parti socialiste).

Für sie saß er bis zum August 2006 Abgeordneter im Parlament und war bis 2005 ihr Vorsitzender. In den vergangenen Jahren war Ki-Zerbo politisch fast "unangreifbar", wie es Walter Schicho beschreibt, er konnte sich "mehr erlauben als andere, jüngere Politiker".

Joseph Ki-Zerbo soll am Donnerstag in seinem Heimatdorf Toma im Westen Burkina Fasos beigesetzt werden.

[science.ORF.at, 6.12.06]
->   CEDA (zur Zeit nicht erreichbar)
->   CODESRIA
->   Internet African History Sourcebook (Fordham University)
->   African Timeline
->   Institut für Afrikanistik, Universität Wien
->   Handbuch Afrika (Walter Schicho)
 
 
 
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01.01.2010