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Molekulare 3-D-Karten des Mäusehirns  
  Forscher haben erstmals einen dreidimensionalen Atlas der Expression von Genen im Mäusehirn erstellt. Der "Allen Brain Atlas" zeigt, welche genetische Information wo im Gehirn des Nagers abgelesen wird.  
Der "Allen Brain Atlas" (ABA) ist über das Internet zugänglich und umfasst rund 20.000 Expressionsmuster. Er zeigt diese Information auf aneinander gereihten Schnitten durch das Gehirn und erschließt damit selbst kleine Teilbereiche des Organs.

Der Atlas wurde nach dem Microsoft-Mitbegründer Paul Allen benannt, der das Projekt maßgeblich förderte. Die zugrunde liegende Technologie lieferten Forscher um Gregor Eichele von der Max-Planck-Gesellschaft für biophysikalische Chemie.
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Die Studie "Genome-Wide Atlas of Gene Expression in the Adult Mouse Brain" ist als Online-Vorabpublikation in "Nature" (6. Dezember 2006; DOI: 10.1038/nature05453) erschienen.
->   Abstract
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Mäuse- und Menschen-Hirn: Parallelen
Das Gehirn der Maus ist - abgesehen von seiner Größe - dem Gehirn des Menschen in vielen Dingen sehr ähnlich. Die Teilstrukturen sind identisch und selbst die Großhirnrinden der beiden Säuger weisen eine überraschend ähnliche Architektur auf. Bei beiden sind die miteinander verbundenen Nervenzellen in Schichten angeordnet.

Zahlreiche Studien haben gezeigt, dass die Funktion des Gehirns auf dieser Architektur und der vielfältigen Verknüpfung der Nervenzellen über so genannte Synapsen beruht.

Der ABA identifiziert zahlreiche Gene, deren Expression die Schichtung der Großhirnrinde widerspiegelt. Der Atlas zeigt zudem auch die Geografie des Hippocampus, dem Sitz des Gedächtnis, und anderer Gehirnareale.
->   Genexpression - Wikipedia
mRNA in Dendriten aufgespürt
 
Bild: Allen Brain Atlas

Ein Beispielbild aus dem Atlas: Starke Expression des "Tyrosin-Hydroxylase"- Gens in den Neuronen der Substantia Nigra, ein Komplex im Mittelhirn

Die Wissenschaftler stellten den ABA her, indem sie die in Nervenzellen vorliegenden Gentranskripte (mRNAs) mit markierten Sonden analysierten und kartierten.

Die Technik ermöglicht den Nachweis von nur einigen wenigen mRNA-Molekülen in den "Dendriten" der Nervenzellen. Diese feinen Verästelungen bilden Synapsen mit anderen Nervenzellen, die oft in weiter Entfernung liegen. Man nimmt an, dass Gehirnprozesse wie etwa das Lernen die Bildung neuer bzw. die Modifikation bestehender Synapsen bedingen.

Der ABA zeigt viele Fälle auf, in denen man mRNAs in Dendriten findet - also mRNAs auf dem Weg zu oder sogar in der Nähe von Synapsen. Die Gene, die diesen mRNA-Stücken zugrunde liegen, könnten also besonders wichtig für synaptische Prozesse sein.
Atlas zur Orientierung
 
Bild: Allen Brain Atlas

Vergrößerter Ausschnitt aus dem Bild oben: Tyroxin-Hydroxylase-positive Nervenzellen mit ihren charakteristischen Verästelungen

Der Atlas bietet Orientierung: Einzelne, zum Teil sehr kleine Gehirnbereiche sind durch eine Handvoll dort exprimierter Gene genau definiert. Diese Markierungen sind von großem Nutzen bei der Untersuchung von abnormalen Gehirnen, denn man könnte mit verschiedenen Markern herausfinden, welche Gehirnregionen beeinträchtigt sind.

Markergene könnten auch für gezielte Diagnostik oder Therapie eingesetzt werden, indem sie so mit anderen Stoffen kombiniert werden, dass etwa Enzyme nur an bestimmten Orten aktiv werden.

Der ABA soll zukünftiger neurobiologischer und medizinischer Forschung nutzen und dabei helfen herauszufinden, welche Vorgänge im Gehirn Gene genau regulieren.

Der ABA hat zahlreiche neue Gene identifiziert und hat auch das Potenzial, neue Schaltgene zu entdecken, die zum Beispiel Kognition und Verhalten regulieren, schreiben die Wissenschaftler.
Atlas soll verfeinert werden
An dem Projekt arbeiteten rund 100 Wissenschaftler über vier Jahre (Projektkosten 40 Mio. Euro). Analog zu den ersten Veröffentlichungen der menschlichen Genomsequenzen - sie wurden als "Entwürfe" vorgestellt - wollen die Forscher die Karten des ABA weiter verfeinern.

Der ABA besteht aus Zehntausenden von Bildern, die man auf der Website des Atlas nach Gen-Namen durchsuchen kann.

[science.ORF.at/MPG, 7.12.06]
->   Allen Brain Atlas
->   Max-Planck-Institut für biophysikalische Chemie
->   mRNA - Wikipedia
 
 
 
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01.01.2010