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Weinkultur - eine Erfindung der Kelten?  
  Ist die Weinkultur doch kein Import aus dem Alten Rom - wie vielfach behauptet -, sondern eine eigene Erfindung der Kelten? Zu diesem Schluss kommen jedenfalls Forscher der Universität für Bodenkultur in Wien.  
Die Wissenschaftler entdeckten in der Keltenstadt Sandberg bei Roseldorf einen verkohlten Weinkern aus dem 3. vorchristlichen Jahrhundert. "Es handelt sich eindeutig um Kulturwein", erklärt Marianne Kohler-Schneider von der Boku Wien.
Kulturreben sind erkennbar
Kerne von Kulturreben sind eindeutig von ihren wilden Verwandten zu unterschieden, so sind die Kulturformen bauchiger und haben einen längeren Stiel. Dass der nun gefundene Kern überhaupt noch so gut erhalten ist, liegt daran, dass es im Bereich der Fundstelle einst einen Brand gab. Das hat den Kern konserviert, es sind sogar noch viele Details zu sehen, berichtete die Forscherin.
Lokaler Weinbau oder mediterraner Import?
Der Weinkern stammt aus dem Umfassungsgraben eines Heiligtums, in dem Opfergaben deponiert wurden. "Die Frage ist nun, ob es sich bei dem Weinkern um einen Hinweis auf lokalen Weinbau im dritten Jahrhundert vor Christus handelt, oder ob im Heiligtum importierte Rosinen aus dem Mittelmeerraum als wertvolle Opfergabe dargebracht wurden", so Kohler-Schneider. Immerhin ist es ein weiterer Hinweis auf frühe Weinkultur in der Gegend.

Wein wird in Ostösterreich möglicherweise seit der späten Bronzezeit kultiviert. Für den Import von Rosinen aus dem Süden gibt es schriftliche Hinweise: der römische Autor Plinius berichtete von keltischen Wanderhandwerkern, die aus Italien getrocknete Feigen und Weintrauben in ihre mitteleuropäische Heimat gebracht haben. Dies soll der Sage nach die Kelten zu ihren Überfällen auf Rom angeregt haben.
Breites Spektrum an Nutzpflanzen
Der jüngste Fund ist nicht zuletzt auch ein weiterer Beleg für das reichhaltige pflanzliche Nahrungsspektrum der Kelten. Auf dem Sandberg wurde bereits eine Fülle von Getreidearten, Hülsenfrüchten und Ölpflanzen nachgewiesen: Die Siedler haben Dinkel, Einkorn, Gerste, Hirse und Roggen angebaut, außerdem Erbse, Linse, Leindotter und Mohn.

Ob am Sandberg auch Weinbau betrieben wurde, sei erst zu sagen, wenn auch in den Wohnhäusern der Siedlung Weinkern-Funde gelingen. Eindeutige Hinweise wären weiters Nachweise von Rebmessern oder Weinsteinresten an Gefäßwänden.
Weitere Funde zu erwarten
"Die Siedlung auf dem Sandberg bei Roseldorf gehört zu den bedeutendsten keltischen Fundplätzen Österreichs", betont Ausgrabungsleiterin Veronika Holzer von der Prähistorische Abteilung des Naturhistorischen Museums Wien.

"Das Siedlungsareal ist über 20 Hektar groß, hat stadtartigen Charakter und ist besonders reich an Funden. Das Heiligtum, das wir hier entdeckt haben und aus dem der Weinkern stammt, ist mit den bekannten, bereits gut untersuchten Beispielen aus Frankreich vergleichbar und stellt den einzigen Nachweis einer derartigen Anlage in Österreich dar".

Der ausgezeichnete Erhaltungszustand der archäologischen Objekte lasse für die nächsten Jahre auf weitere aussagekräftige Funde hoffen.

[science.ORF.at/APA, 14.12.06]
->   Marianne Kohler-Schneider - Boku Wien
->   Veronika Holzer - NHM Wien
->   Keltenstadt Sandberg
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->   Wann kam der Wein nach Niederösterreich?
 
 
 
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01.01.2010