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Eisfreie Arktis bis 2040 "realistisch"  
  Laut US-Computersimulationen wird die Arktis bis 2040 im Sommer weitgehend eisfrei sein - ein Szenario, das der österreichische Bio-Geo-Chemiker Rainer Amon für realistisch hält.  
Schiffswege tauen (und tun sich) auf
Mit einem Eisbrecher von Alaska zum Nordpol und weiter nach Spitzbergen - diese Expedition hat der Österreicher im Spätsommer des Vorjahres unternommen.

Das erste Mal, dass ein Eisbrecher in dem Gebiet vorangekommen sei, sagt der Bio-Geo-Chemiker Amon, der in den USA an der Texas A&M Universität forscht.

Ein Anzeichen, dass sich die Arktis verändert, dass das Eis abnimmt - zuvor habe man in die westliche Region nicht vordringen können.
Prognosen "realistisch"
Die Zeit für das arktische Eis verrinnt schneller als angenommen: Neue Klimasimulationen lassen befürchten, dass die Arktis in 35 Jahren in den Sommermonaten weitgehend eisfrei sein könnte.

Computermodelle von US-Forschern zeigen für September 2040 nur noch kleine Eismengen an den Küsten Grönlands und Kanadas. Das Szenario hält der österreichische Meeresforscher mit Arktiserfahrung, Rainer Amon, für realistisch.

Der Bio-Geo-Chemiker im Ö1-Mittagsjournal: "Es ist deutlich, dass diese Modelle sehr gut mit den Beobachtungen der letzten 20 Jahre übereinstimmen. Ich würde diese Vorhersage als relativ realistisch einschätzen."
->   Zur Prognose 2040
Frist bis 2080?
Eine Computersimulation von europäischen Wissenschaftlern hat vor kurzem das Szenario der eisfreien Arktis ein wenig zeitversetzt entworfen - 2080 statt 2040. Beide Prognosen bezeichnete Amon in Radio Österreich 1 als revolutionär:

"Hätten Sie vor fünf Jahren einen Forscher nach seinen Prognosen für die Arktis gefragt, hätte er wahrscheinlich von einem Rahmen von 150 oder 200 Jahren gesprochen. Die Signifikanz der beiden aktuellen Modelle ist, dass wir mittlerweile von Veränderungen sprechen, die innerhalb von einer oder zwei Generationen passieren werden."
Kuschelfaktor Golfstrom
Computersimulationen zeigen den Zusammenhang zwischen Klimawandel, Meeresströmungen und Arktisschmelze. In den vergangenen 20 Jahren sei immer mehr Süßwasser in den hohen Norden gepumpt worden, so Amon.

Das Problem: Je mehr Süßwasser (also je weniger Salz) im Oberflächenwasser der Arktis, desto geringer die Dichte und damit umso schwieriger, dass im Winter dichtes Wasser in den Nordatlantik absinkt. Doch das treibt die weltweite Zirkulation der Ozeane an.

Stichwort Golfstrom: "Wenn man keine Tiefenwasserbildung im Nordatlantik hat, dann gibt es auch keinen Golfstrom, der nach Norden fließt. Doch ohne Golfstrom hätte Nordeuropa dieselben klimatischen Bedingungen wie Nordkanada", erklärte Amon.
->   Mehr zum Golfstrom (Wikipedia)
Magere Zeiten für die Arktis angebrochen
Messungen (tatsächliche Beobachtungen im Gegensatz zu Simulationen) haben laut Amon gezeigt, dass seit 2002 die Eisausdehnung in der Arktis extrem zurückgegangen ist. Der Trend scheint anzuhalten: Im September 2005 wurde die geringste Fläche seit der Beobachtung mit Satelliten für September registriert; dasselbe magere Bild im März 2006:

"Die Daten deuten deutlich darauf hin, dass die Meereisdicke in der Arktis ganz stark abnimmt."

Abgesehen von der Ausdehnung verliert das Eis zudem an Dicke, so der Forscher gegenüber science.ORF.at. Die permanente Eisdecke, die auch im Sommer nicht abschmilzt, sei von 3,1 Meter Dicke in den 60er und 70er Jahren auf 1,8 Meter abgemagert. Doch je dünner, desto brüchiger das Eis - sprich: desto mehr offene Wasserflächen:

"Je mehr offene Wasserflächen, desto mehr Sonnenstrahlung wird aufgenommen und desto höher ist die Erwärmung des Wassers selbst." (Die Autoren der derzeit diskutieren Prognosestudie sprechen von einem Rückkopplungs- bzw. einem sich selbst verstärkenden Effekt.)
"Torpedo" Wasserschichtung?
Zusätzlich könnten weitere Faktoren die Abschmelze vorantreiben - und das ist Amons Spezialgebiet: Er untersucht die Wasserschichtungen in der Arktis (kaltes Wasser an der Oberfläche, warmes in der Tiefe).

Nun stellt sich die Frage, was passiert, wenn sich die Schichtung durch Süßwasserzuflüsse und Klimawandel ändert.

Seine nächste diesbezügliche Arktisexpedition plant Amon übrigens im kommenden Sommer in die sibirische See.

Barbara Daser, Ö1 Wissenschaft, 14.12.06
->   Homepage Rainer Amon
->   Mehr zur Arktis (Wikipedia)
->   Beitrag im Ö1-Mittagsjournal (oe1.ORF.at)
->   science.ORF.at-Archiv zu Arktis und Antarktis
 
 
 
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01.01.2010