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Machen Bakterien dick?  
  Übergewicht führt man gemeinhin auf drei Hauptfaktoren zurück: Genetische Veranlagung, falsche Ernährung und mangelnde Bewegung. Eine Studie legt nun nahe, dass man womöglich eine wichtige Einflussgröße übersehen hat: die Darmflora nämlich. Wie US-Forscher herausgefunden haben, weisen übergewichtige Menschen eine andere Bakterien-Zusammensetzung im Darm auf als Normalgewichtige.  
Versuche mit Mäusen haben außerdem gezeigt, dass ein Eingriff in die Darmflora Tiere tatsächlich fetter machen kann. Augrund dieser Entdeckung könnten in Zukunft neuartige Therapien gegen Fettleibigkeit entstehen, berichtet ein Team um Jeffrey Gordon von der Washington University in St. Louis.
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Jeffrey Gordon und sein Team haben zu diesem Thema in "Nature" (Bd. 444) gleich zwei Studien veröffentlicht: "Human gut microbes associated with obesity" (S. 1022) sowie "An obesity-associated gut microbiome with increased capacity for energy harvest" (S. 1027).
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Artenprofil unterschiedlich
Der Großteil der Darmbakterien gehört zu zwei großen Bakterien-Stämmen, den Firmicutes und den Bacteroidetes. Wie Jeffrey Gordon und Kollegen nun durch eine genetische Untersuchung der Darmflora zeigten, besitzen übergewichtige Menschen weniger Bacteroidetes-Bakterien als Normalgewichtige. Setzten die Forscher die Versuchspersonen auf Diät, stieg hingegen der Anteil dieser Bakterien.
Verdauung ist effektiver
Eine mögliche Erklärung für ihre Beobachtung fanden die Forscher bei einer Untersuchung mit Mäusen. Diese zeigte, dass die Darmbakterien von übergewichtigen Tieren mehr Energie aus der Nahrung herausholten.

Das dürfte nach Angaben der US-Forscher folgenden Grund haben: Die Darmflora der fettleibigen Tiere produzierte einen hohen Anteil von Enzymen, die an sich unverdaubare Polysaccharide spalten können. Dementsprechend enthielt der Stuhl dieser Tiere weniger Energie als jener der normalgewichtigen Vergleichstiere.
Überimpfte Darmflora ändert Körperfettanteil
Gordon und seinen Kollegen gelang auch ein experimenteller Nachweis ihrer Vermutung: Übertrugen die Forscher die Darmflora der fetten Tiere auf schlanke Artgenossen, deren Darm bis dahin keimfrei war, stieg deren Körperfettanteil nach etwa zwei Wochen messbar an.

Möglicherweise spielten die Darmbakterien bei der Gewichtsregulation ebenso eine Rolle wie Bewegung oder Kalorienaufnahme, folgern die Wissenschaftler. Bei einer Behandlung von Fettleibigkeit könnte eine Manipulation der Bakterienzusammensetzung hilfreich sein.
Resultate werfen neue Fragen auf
Noch sei allerdings unklar, ob die recht kleinen Unterschiede bei der Nahrungsverwertung tatsächlich für die mitunter bedeutenden Unterschiede im Körpergewicht verantwortlich sind, schreiben Matej Baljzer und Randy Seeley von der University of Cincinnati in einem begleitendem Kommentar (Nature 444, 1010).

Auch zahlreiche weitere Fragen, etwa welcher Sinn hinter diesem System stecke und wie es reguliert werde, seien noch offen.

[science.ORF.at/dpa, 21.12.06]
->   Jeffrey Gordon - Washington University
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01.01.2010