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Johannes Hahn wird neuer Wissenschaftsminister  
  Neuer Wissenschaftsminister unter der rot-schwarzen Regierung wird überraschend der Wiener ÖVP-Landesparteichef Johannes Hahn. Das wurde am Dienstag nach dem Parteivorstand der ÖVP bekannt. Neutral bis positiv fallen die Reaktionen von Universitätsangehörigen und Forschern auf den neuen Wissenschaftsminister aus.  
Mit Johannes Hahn (49) schafft es ein Politiker auf den Posten des Wissenschaftsministers, der in den Besetzungsspekulationen kaum aufgetaucht war.

Der promovierte Philosoph betrieb lange die Gesundheitspolitik als sein Steckenpferd, war aber auch für das Glücksspielunternehmen "Novomatic" tätig. Zuletzt sorgte er für einen Schwenk in Richtung Liberalität in der Wiener ÖVP.
Zu Wissenschaft bisher wenig
Bild: APA
"Gio" Johannes Hahn
Im Wissenschaftsbereich ist Hahn bisher kaum hervorgetreten: Er machte sich für den Standort Aspern für die Technische Universität (TU) und die Wirtschaftsuniversität stark und verlangte die akademische Ausbildung der Kindergärtner.

Hahn, der als junger Mann eine Krebserkrankung überstanden hat, gibt sich gerne gelassen und weltgewandt. Er schmückt sich mit dem südlich anmutenden Spitznamen "Gio", den er allerdings ganz unitalienisch als "Tschio", und nicht grammatikalisch korrekt als "Dscho" ausspricht.
Promovierter Philosoph
Geboren wurde Hahn am 2. Dezember 1957 in Wien. Nach seiner Matura im Jahr 1976 begann er zunächst das Jus-Studium in seiner Heimatstadt, schwenkte dann jedoch auf Philosophie um.

Der Titel seiner 1987 eingereichten Dissertation: "Perspektiven der Philosophie heute - dargestellt am Phänomen Stadt". Hahn ist verheiratet und Vater eines Sohns.
Reaktionen aus Wissenschaft: Positiv bis neutral
"Hahn ist ein erfahrener Politiker und Manager, ich gehe davon aus, dass er das gut machen wird und freue mich auf die Zusammenarbeit", sagte der Vorsitzende der Österreichischen Rektorenkonferenz (ÖRK), Christoph Badelt, gegenüber der APA.

Zurückhaltend gibt man sich bei der Österreichischen Hochschülerschaft (ÖH): "Wir wissen noch nicht sehr viel von ihm, weil er sich zur Unipolitik noch nicht geäußert hat", hieß es auf APA-Anfrage.

Die Studentenvertreter hoffen, "dass er die Politik seiner Vorgängerin nicht fortsetzt und mehr Gesprächsbereitschaft zeigt." Als erstes wollen die ÖH-Vertreter Hahn einladen, mit ihnen über die anstehende Reform des Hochschülerschafts-Wahlrechts zu reden.
Rektoren-Chef zu "Rumpfressort"
Befragt, ob Hahn nicht an der Spitze eines Rumpfressorts mit nur sehr wenigen Kompetenzen stehe, meinte Badelt, dass er für eine Bewertung noch nicht genug über die Zuordnung der Forschungskompetenzen auf die einzelnen Ressorts wisse.

"Ich wünsche mir, dass möglichst viele Forschungskompetenzen zum Wissenschaftsministerium ressortieren", so der Rektorenchef.
FWF-Chef: "Endlich nur ein Minister für uns"
Der Präsident des Wissenschaftsfonds FWF, Christoph Kratky, kennt Hahn zwar nicht persönlich, sieht dessen Bestellung aber "positiv".

Besonders erfreut zeigte sich Kratky darüber, dass der FWF künftig wieder zu den Universitäten ressortiert, bisher war er im Infrastrukturministerium angesiedelt. "Damit ist endlich nur mehr ein Minister für uns zuständig", so Kratky.
Hochschullehrer-Gewerkschaft: "Gute Wahl"
Als "gute Wahl" bezeichnete der Vorsitzende der Hochschullehrer-Gewerkschaft, Richard Kdolsky, die Bestellung Hahns, den er als "sehr pragmatischen und zielorientierten Menschen" kennen gelernt hat.

Hahn werde sicher Einarbeitungszeit benötigen, sagte Kdolsky, der sich nicht nur ein gutes Gesprächsklima, sondern auch konkrete Dinge erwartet: So sollten etwa "wie versprochen die anlaufenden Kosten für die Implementierung des geplanten Kollektivvertrags vom Bund getragen werden".

Kdolsky ist der Ehemann der neuen ÖVP-Gesundheitsministerin Andrea Kdolsky.
Doktorvater hofft auf "stärkere" Geisteswissenschaften
Als "dynamisch und umsichtig" bezeichnete Philosophie-Professor Peter Kampits (Uni Wien) seinen ehemaligen Studenten. Hahn hat bei Kampits die Dissertation geschrieben.

"Ich wünsche ihm viel Glück, denn die Kette der Philosophen in der Politik war nicht immer erfolgreich", so Kampits. Durch seine "offene Art ohne ideologische Prägung" habe Hahn die Chance, die gesamte Wissenschaft zu vertreten. Kampits erhofft sich von ihm eine Stärkung der Geisteswissenschaften.
Molekularbiologin Schröder: "Fortführung des Weges"
Molekularbiologie-Professorin Renee Schroeder wünscht sich vom neuen Ressort-Chef "eine Fortführung des Weges der vergangenen vier Jahre". An den Unis habe mittlerweile ein leistungsspezifisches Denken Einzug gehalten, das sollte weiter gefördert werden.

Bezüglich der finanziellen Seite forderte die Wissenschaftlerin, dass für Forschungsprojekte endlich auch so genannte Overheadkosten bezahlt werden, also von der Miete von Räumlichkeiten bis hin zu Strom und Heizung.
Kritik: Gescheiterte Zusammenlegung der Ministerien
"Dass Wissenschaft wieder einen höheren Stellenwert bekommt", wünscht sich die Meteorologin und Wissenschaftlerin des Jahres 2005, Helga Kromp-Kolb, Professorin an der Universität für Bodenkultur (Boku) Wien, vom neuen Ressort-Chef.

Kritik übte die Forscherin an der vielfach geforderten und auch nach den jüngsten Ressort-Umschichtungen nicht gelungenen Zusammenlegung von Wissenschafts- und Forschungsagenden.

"Forschung hat mit Universitäten doch mehr zu tun als mit Infrastruktur", ist Kromp-Kolb überzeugt.

[science.ORF.at/APA, 9.1.07]
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01.01.2010