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Forscher: Wie halluzinogene Substanzen berauschen  
  Das Meskalin aus dem Peyote-Kaktus und Lysergsäurediethylamid (LSD) zählen zu den "Klassikern" der Halluzinogene. Berühmt-berüchtigt sind sie als Auslöser von Halluzinationen beim Sehen, Hören und Greifen. Wie die Substanzen auf das Gehirn und damit auf das Bewusstsein wirken, haben nun US-amerikanische Forscher entdeckt.  
Es ist bereits länger bekannt, dass Substanzen wie LSD an Serotonin-Rezeptoren im Gehirn binden. Doch sie sind nicht die einzigen. Es stellt sich also die Frage, warum andere nicht-halluzinogene, aber strukturähnliche Substanzen, die ebenfalls die Serotonin-Rezeptoren ansprechen, nicht das Bewusstsein verändern.

Der Unterschied liegt im chemischen Detail, sagen nun die Forscher um Stuart C. Sealfon von der Mount Sinai School of Medicine in New York.
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Der Artikel "Hallucinogens Recruit Specific Cortical 5-HT2A Receptor-Mediated Signaling Pathways to Affect Behavior" ist in der Fachzeitschrift "Neuron" (Bd. 53, S. 439, 1. Februar 2007) erschienen.
->   Abstract
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Der Rausch setzt an Rezeptoren an
Die halluzinogene Wirkung von LSD entdeckte der Chemiker Albert Hofmann im Jahr 1943. Meskalin war bereits viel länger eine rituelle Rauschdroge mexikanischer Indianerstämme. Beide Substanzen gehören zu den potentesten Substanzen der Halluzinogene und weisen - gemeinsam mit Psilocybin der Zauberpilze - ähnliche Wirkungsweisen auf.

Halluzinogene aktivieren bestimmte Rezeptoren im Gehirn, die so genannten 5-HT2A-Rezeptoren. Sie stellen damit Agonisten dar, die im Nervensystem bei Signalübertragung wie ein Botenstoff wirken. Die 5-HT2A-Rezeptoren werden normalerweise über den Transmitter Serotonin angesprochen.

Doch nicht nur die Halluzinogene binden an die Serotonin-Rezeptoren, sondern auch nichthalluzinogene Substanzen - mit dem entscheidenden Unterschied, dass der halluzinogene Rausch ausbleibt.
->   Serotoninrezeptor - Wikipedia
In der Hirnrinde
Das Team um den Neurowissenschaftler Sealfon hat dieses Phänomen nun untersucht. In ihrer Studie kamen LSD und ein nichthalluzinogener Stoff (Lisurid) zum Einsatz - und Versuchsmäuse zum Zug.

Die Tatsache, dass Mäuse nicht über bewusstseinsverändernde Effekte berichten können, umgingen die Wissenschaftler mit einer Beobachtung: Das verabreichte LSD löste bei den Nagern ein Kopfzucken aus - ein Anzeiger für die Wirkung des Halluzinogens.

Die transgenen Mäuse hatten dabei die Serotonin-Rezeptoren nur im Cortex, also der Hirnrinde, ausgeprägt. Ergebnisse bisheriger Untersuchungen hatten vermuten lassen, dass hier das Wirkungszentrum der Halluzinogene liegt.
Ohne Serotonin-Rezeptoren kein Rausch
Eine grundlegende Erkenntnis: Die Wissenschaftler konnten zeigen, dass ohne die 5-HT2A-Rezeptoren ein Halluzinogen wie LSD nicht wirkt. Zum Beweis hatten sie Mäusen ohne funktionierende Rezeptoren LSD verabreicht.

Die Nager zeigten dann keine Anzeichen für einen Rausch bzw. keine Zuckungen. Sobald die Funktionsfähigkeit der Rezeptoren wiederhergestellt war, war die Wirkung nicht zu übersehen.

Weiters konnten Sealfon und seine Kollegen bestätigen, dass das Wirkungszentrum für Halluzinogene tatsächlich die Cortex-Region ist. Die durch das LSD ausgelöste Signalwirkung im Cortex reichte aus, um entsprechende Wahrnehmungsveränderungen herbeizuführen.
Signalübertragung unterschiedlich beeinflusst
Beim direkten Vergleich der Wirkungsweisen von LSD und der nichthalluzinogenen Substanz zeigte sich, dass LSD bei der Signalübertragung andere genetische, elektrophysiologische wie auch innerzelluläre Reaktionen der Empfängerzelle erzeugte als das rauschfreie Mittel.

Beide Substanzen aktivierten beispielsweise das für die Signalübertragung bedeutende Enzym Phospholipase C.

Die Reaktion auf LSD umfasste aber auch die Aktivierung von "heterotrimeren G-Proteinen", die ebenfalls bei der Signalübertragung eine zentrale Rolle spielen und u.a. für physiologische Effekte wie das Sehen und Riechen verantwortlich sind.
->   Signaltransduktion - Wikipedia
Medikamentenverabreichung "mit mehr Verstand"
Die Forscher hoffen, dass ihre Erkenntnisse zu einem besseren Verständnis von neuropsychiatrischen Störungen beitragen kann, die zwar pharmakologisch behandelt werden - bisher allerdings ohne das genaue Wissen darüber, wie die Mittel eigentlich wirken.

[science.ORF.at, 1.2.07]
->   Website von Stuart C. Sealfon
->   Meskalin & Co. (Drug Infopool Deutschland)
Mehr zum Thema in science.ORF.at:
->   Club-Droge als ultraschnelles Antidepressivum (9.6.06)
->   Wie Marijuana im Gehirn wirkt (16.9.04)
 
 
 
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01.01.2010