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Expertin: Missverständnisse mit Orient nehmen zu  
  Die Nahost-Expertin Karin Kneissl vertritt die Auffassung, dass sich die Missverständnisse zwischen Orient und Okzident, Ost und West, in den letzten Jahrzehnten vergrößert hätten.  
Dies komme etwa beim Thema Irak stark zum Ausdruck, sagte Kneissl anlässlich einer Podiumsdiskussion am Dienstagabend in Wien.

"Vor einigen Jahrzehnten war das Wissen übereinander größer, jetzt sind es eher festgefahrene Meinungen, die das gegenseitige Bild prägen", so die Autorin des eben erschienenen Buchs "Die Gewaltspirale. Warum Orient und Okzident nicht miteinander können."
Energiefrage als Konfliktverstärker
Auch der Konflikt zwischen Israel und den Palästinensern sei nie ein regionaler Konflikt gewesen, sondern weise zunehmend einen starken Europa-Aspekt auf, führte Kneissl bei der Präsentation ihres Buches weiter aus.

Überhaupt seien die Probleme Europas und der islamischen Welt durch die Energiefrage immer stärker verwoben.
Kneissl: "USA vernachlässigen Realität"
Eine Diskussionsteilnehmerin gab zu bedenken, dass in vielen islamischen Ländern der Krieg gegen den Terror als ein Krieg gegen den Islam, Demokratie vielfach als etwas Aufgezwungenes gesehen werde.

Dies erklärte man sich am Podium einerseits mit der Diskrepanz zwischen den westlichen Medien und der Realität im Nahen Osten. Kneissl kritisierte zudem, die USA würden etwa im Iran, aber auch im Irak, die "Realität vernachlässigen" und bestimmte Informationen ignorieren.

Die Wurzel dafür sei, dass sich die USA "auf Second-hand-Informationen" verließen und aufgrund vieler Fehleinschätzungen "statt Politik nur policy" betreiben würden.
Zunehmende "Konfessionalisierung"
Auch warnte die Autorin vor einer zunehmenden "Konfessionalisierung" in Westeuropa, wie es zuvor schon im Nahen Osten und in Südosteuropa der 90er Jahre geschehen war. Menschen nach Ethnie, Religion oder Konfession einzuteilen, würde die Konflikte weiter verschärfen.

In Europa berufen sich viele Immigranten zum Zweck einer Identitätsstiftung zunehmend auf ihre Herkunft und ihren Glauben.
Neben Pessimismus auch Hoffnung
Zwar sei der Untertitel ihres Buches sehr pessimistisch, meinte die Autorin. Dennoch hat sie die Hoffnung, dass trotz der historischen Gründe für das Zerwürfnis beide Seiten zu einer Einigung kommen könnten.

Es gäbe keinen anderen Weg als miteinander zu leben, schon allein wegen der durchmischten Gesellschaften Westeuropas. "Man muss wieder neugieriger aufeinander werden," findet Kneissl.

Die Autorin zeigt in acht flüssig geschriebenen Kapiteln anschaulich und so objektiv wie möglich Zusammenhänge auf und verlässt dabei sich nicht auf einfache Antworten. Sowohl für Laien als auch für informierte Leser stellt ihr Werk einen guten Überblick über den wohl brisantesten Konflikt der vergangenen Jahre dar.


[science.ORF.at/APA, 14.2.07]
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Buchtipp
Karin Kneissl, "Die Gewaltspirale. Warum Orient und Okzident nicht miteinander können.", Ecowin-Verlag, Salzburg; ISBN 978-3-902404-39-8; Preis 22 Euro.
->   Details beim Verlag
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01.01.2010